Politik und Staat

Tempelberg zu Zeiten Herodes – Rekonstruktion; aus: Paul Volz, Die biblischen Altertümer. 1914.
Israel-Museum, Jerusalem: Modell des Tempels http://www.judentum-projekt.de/geschichte/altertum/herodier/index.html

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Predigt vom 10.10.2021 – Ein Wort des tief Grabens
Klarstellung: Wer sind die wahren Palästinenser?
Terror in Israel (von Michael Kotsch)
Interview mit Henryk M. Broder über Gutmenschen, Islam und Antisemitismus
Frau Roth wurde ausgebuht, richtig so! Antisemitismus und Israelfeindlichkeit
muss klar und deutlich Einhalt geboten werden!

Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht,
den will ich verfluchen. 1. Mose, Genesis 12, 3

Nordkorea -TV zeigt was westliche Medien verschweigen


30. Juli: Die Knesset beschließt 1980 das “Jerusalem-Gesetz“, das ganz Jerusalem,
inklusive des besetzten Ostjerusalem, zur „ewigen Hauptstadt“ Israels erklärt.

Israel ist das ewige Volk Gottes.
Die Unsichtbaren – Wir wollen leben
Endzeitsekte Chabad Lubawitsch – Interview von Wolfgang Eggert durch Michael Vogt
Wolfgang Eggert – Erst Manhattan , dann Berlin
Geschichte der Juden in Russland (TEIL 1)
Geschichte der Juden in Russland (TEIL 2)

#schalom75 – 17-minütige Vorschau-Version
Schalom – Israel ist einzigartig!
Der Prophet Hesekiel hat vor über 2000 Jahren folgendes niedergeschrieben:
»So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will eure Gräber auftun und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf und bringe euch ins Land Israels. Und ich will meinen Odem in euch geben, dass ihr wieder leben sollt, und will euch in euer Land setzen, und ihr sollt erfahren, dass ich der HERR bin. Ich rede es und tue es auch, spricht der HERR.« (Hesekiel 37,12+14)
Israel | Roger Liebi

Davidstern: Je nach Zweck und Verwendung des Hexagramms variiert auch die Deutung dieses Symbols. Zum Beispiel wird der Davidstern als symbolische Darstellung der Beziehung zwischen Menschen und Gott interpretiert. Das nach unten weisende Dreieck besagt: Der Mensch hat sein Leben von Gott erhalten. Das nach oben weisende Dreieck besagt:
der Mensch wird zu Gott zurückkehren. Der Umriss hat sechs äußere Spitzen und sechs nach innen geknickte Ecken, die zusammen zwölf Ecken bilden. Diese zwölf Ecken des Sterns sollen die Zwölf Stämme Israels darstellen. Außerdem stehen die sechs Dreiecke für die sechs Schöpfungstage und das große Sechseck in der Mitte steht für den siebenten Tag, den Ruhetag.

Leonhard Ragaz, Die Bibel eine Deutung
Die Geschichte Israels Die Propheten

III. Priester und König

5. DIE POLITIK
So hat sich scheinbar die Theokratie doch bewährt. Und dennoch kann sie sich nicht erhalten. Denn wieder kommt es zu Entartung. „Als aber Samuel alt geworden war, bestellte er seine Söhne zu Richtern über Israel. – Aber seine Söhne wandelten nicht in seinen Wegen: sie suchten ihren Vorteil, ließen sich bestechen und beugten das Recht.“ Die Theokratie in dieser Form muß an zwei Faktoren scheitern. Einmal: Sie kann nur durch den Geist Gottes, der in ihr doch noch durchbricht, leben und wirken, aber dieser Geist ist nicht erblich. (Samuels Söhne versagen, wie die Söhne Elis versagt hatten.) Wenn er jedoch nicht mehr da ist, dann ist sie wieder der Entartung und dem Verfall ausgesetzt. Und diese Entartung ist schlimmer als die bloße Weltlichkeit mit all ihren Mängeln. Dann aber tritt das Zweite ein:
Die Menschen ertragen diese Entartung weniger als die Mängel der Welt. Sie ziehen eine weltliche Form der Herrschaft vor. Sie wollen lieber einen König als einen Priester.
Es tritt als Ersatz der Theokratie wie der Unmittelbarkeit unter Gott der Staat ein.

An die Stelle der Religion tritt die Politik.
Das ist der Vorgang, der ebenfalls ein Grundelement aller Geschichte bildet und sich stets wiederholt. So besonders typisch in dem Gegensatz von Kaiser und Papst. Wir gewahren nicht ohne Erstaunen, daß gerade die ernstesten, revolutionärsten der Vertreter der Sache Gottes immer wieder vom Papst zum Kaiser, von der Kirche in den Staat, von der Religion in die Welt flüchten. So die Spiritualen, die revolutionären Nachfolger des Franziskus. So auf seine Art Dante. So Wickleff und Hus. So die Reformatoren. So Richard Rothe. So die Religiös-Sozialen. Freilich geschieht das in diesen Fällen doch aus einem andern Geiste als bei Israel. Denn hier, bei Israel, gesellt sich au dem ersten ein zweites Motiv: „Wir wollen sein wie die andern Völker.“ Diese haben einen König, und so wollen wir auch einen haben. Der biblische Bericht (Kap. 8) betrachtet dieses Verlangen nach dem König als einen Abfall von Gott. Denn nach Israels Wesen und Berufung soll Gott sein König sein, er allein. Und wir wissen ja in der Tat, wie das echte Israel über König und Königtum gedacht hat. Denken wir bloß an die Fabel Jothams. Aber es braucht zum Festhalten an dem Königtum Gottes allein und dem Anarchismus der Unmittelbarkeit unter Gott eben eine Kraft, die nur aus Gott strömt. Wenn diese Kraft nicht mehr da ist, wird das Verlangen nach dem König natürlich. Denn wenn man nicht mehr in Gottes Geist und Recht selbst die Verantwortung tragen mag, dann begehrt man nach einem, der sie für uns trägt. Wenn Gottes Recht nicht mehr gilt, weil man Gott verlassen hat, dann entsteht das Chaos, und wenn man so nicht mehr von Innen her Ordnung zu schaffen vermag, schreit man nach einer Macht, die sie von Außen her schafft oder doch zu schaffen scheint. So wird aus dem Verlangen nach Gott das Verlangen nach dem König. Wozu noch Eines kommt: Um den König herum ist ein gewisser Glanz: ein Glanz von Macht und Herrlichkeit, ja etwas wie ein Glanz Gottes. Dergleichen glauben die Israeliten anderwärts zu sehen, und darum möchten sie es auch haben. Samuel ist von dieser Entwicklung im tiefsten betroffen. Sie richtet sich nicht nur gegen ihn selbst, sondern auch gegen Gott. Sie bedeutet Preisgabe des Anspruches Gottes, Mißachtung der Religion, Säkularisierung. Aber Gott spricht zu ihm: „Das Verlangen des Volkes wendet sich ebenso gegen mich wie gegen dich. Aber es ist, so wie die Dinge liegen, nichts dagegen zu machen. Es ist die notwendige Frucht des Abfalls von mir. Stelle ihnen noch einmal vor, was es bedeutet, wenn sie den König mir vorziehen. Dann laß sie machen.“ Und das tut Samuel in den berühmten Worten über das Königtum (Kap. 8, 10 ff.): „Folgendes wird die Gerechtsame des Königs sein, der über euch herrschen wird: Eure Söhne wird er nehmen, um sie bei seinen Wagen und seinen Rossen zu verwenden, daß sie vor seinen Wagen herlaufen, und um sie als Oberste über Tausend und als Oberste über Fünfzig anzustellen, und damit sie sein Ackerland pflügen und seine Ernte einbringen und ihm Kriegsbedarf und Wagengeräte anfertigen. Eure Töchter aber wird er nehmen, daß sie ihm Salben bereiten und kochen und backen. Von euren Feldern und Weinbergen und Ölpflanzungen wird er die besten nehmen und sie seinen Beamten geben; von eurem Saatland und eurem Weinberg wird er den Zehnten nehmen und ihn seinen Hämlingen und Beamten geben. Eure Sklaven und Sklavinnen, sowie eure besten Rinder und Esel wird er nehmen und für seine Wirtschaft verwenden; von euren Schafen wird er den Zehnten erheben. Ihr selbst aber werdet seine Knechte werden. Wenn ihr dann künftig aufschreien werdet wegen eures Königs, den ihr euch erkoren habt, so wird euch Gott [Jahve] alsdann nicht hören.“ So zeigt Samuel dem Volke, was Königtum bedeutet. Die Israeliten aber bleiben bei ihrem Begehren: „Nichts da! Einen König wollen wir haben, damit wir allen andern Völkern gleichen.“
Es ist die große Gefahr Israels bis auf diesen Tag – die Gefahr der
Assimilation. Und so geht die Theokratie in das Königtum über. Wir aber haben vor uns als die Meinung der Bibel selbst die ungeheure Paradoxie der Verwerfung des Staates. Denn darum geht es.
Es ist der Anarchismus Gottes, der in dieser Form nochmals mahnend auftaucht.
Er ist das, was die Bibel will, sehr zum Unterschied vom üblichen Christentum.
Sie lehnt den Staat als eine Frucht des Abfalles von Gott ab
.
Die Art, wie Samuel das begründet, mag uns übertrieben und veraltet vorkommen. Der Staat erscheint dort scheinbar ganz in der Form des orientalischen Despotismus: als Macht der Versklavung, der Ausbeutung und des Krieges; wir aber denken an den modernen Wohlfahrtsstaat als Schützer des Rechtes und Förderer des Allgemeininteresses. Aber ob nicht die Bibel im Grunde doch recht behält? Was sie mit ihren Bildern meint, ist doch dies: Der Staat ist eine Macht, die ihrem Wesen nach den Menschen aufhebt. Das tritt ja besonders deutlich an dem Bürokratismus hervor, der sich als Schlingpflanze oder auch als Wurmfraß an alle Staatlichkeit heftet. Aber der Staat nimmt noch schlimmere Formen an. Wie er sich an die Stelle Gottes setzt,
so setzt er sich an die Stelle des Menschen. Ist das nicht bei allem Staate der Fall, bald in
gröberen, bald in feineren Formen? Wobei die feineren nur um so gefährlicher sind. Denn wenn jene sich nur auf den Leib erstrecken, so diese auch auf die Seele. Tritt das alles nicht beim totalen Staate deutlich genug hervor, und ist nicht dieser totale Staat die Offenbarung des Wesens des Staates? Hat nicht Nietzsche, auf seine Art Götzen zerstörend und das Unmittelbare suchend, recht mit seinen berühmten Worten über den Staat: (1) „Irgendwo gibt es noch Völker und Horden, doch nicht bei uns, meine Brüder, da gibt es Staaten. Staat?
Was ist das? Wohlan, jetzt tut mir die Ohren auf, denn jetzt sage ich euch ein Wort vom Tode der Völker. Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: „Ich, der Staat, bin das Volk.“ (1) in: „Also sprach Zarathustra“.
„Lüge ist’s! Schaffende waren es, die schufen die Völker und hängten einen Glauben und eine Liebe über sie hin: also dienten sie dem Leben. Vernichter sind es, die stellen Fallen auf für viele und heißen sie Staat: sie hängen ein Schwert und hundert Begierden über sie hin. Wo es noch Volk gibt, da versteht es den Staat nicht und haßt ihn als bösen Blick und Sünde an Sitten und Rechten. Dort, wo der Staat aufhört, da beginnt erst der Mensch, der nicht überflüssig ist: da beginnt das Lied des Notwendigen, die einmalige und unersetzliche Weise. Dort, wo der Staat aufhört -‚ so seht mir doch hin, meine Brüder: Seht ihr ihn nicht, den Regenbogen und die Brücken des Übermenschen? –“ Ist das nicht wie eine moderne Version der Fabel des Jotham? Aber wie sich der Staat an die Stelle des Menschen setzt, so setzt er sich auch an die Stelle Gottes. Und jenes folgt aus diesem. Er ist eben Baal an Stelle des lebendigen Gottes. Während Jahve den Menschen schützt und Gerechtigkeit verlangt, nimmt jener den Menschen als Eigentum und Material in Anspruch, und recht ist, was ihm nützt. Gott und der Staat werden Eins, aber nicht so, daß Gott den Staat beherrscht, sondern so, daß der Staat Gott in Anspruch nimmt und zuletzt selbst Gott wird. Darum ist der Urtypus des Staates als Staat das Imperium Romanum, dessen Verkörperung Jupiter Capitolinus ist, und darum ist der totale Staat, der in unseren Tagen seine Volloffenbarung erlebt, dessen Vollendung. Der Krieg ist, neben der Ausbeutung und Versklavung, die Folge seines Molochcharakters. Auch in unseren Tagen ist der Schrei nach dem Staate eine Folge des Abfalls von Gott. Infolge dieses Abfalls entsteht eine Leere. Diese Leere soll Baal ausfüllen: der Staat, die Nation, die Rasse (,‚Blut und Boden“). Sie erhalten Gottescharakter und wenden sich gegen Christus. An die Stelle des Reiches Gottes, an das man nicht glaubt, tritt das Dritte Reich, an die Stelle des echten Absoluten das falsche. Und dieses erscheint im Imperialismus wieder als Gigantentum. Da durch den Abfall von Gott auch im sozialen Leben das Chaos entstanden ist, sehnt man sich auch in dieser Beziehung nach einer Ordnung. Diese Ordnung soll ebenfalls der totale Staat schaffen. Da man der Freiheit und eigenen Verantwortung müde und damit zur Demokratie unfähig geworden ist, wirft man sich der Diktatur in die Arme. Und wenn ein Volk durch den eigenen Götzendienst sich einmal an Götzendienst gewöhnt hat, so verfällt es leicht den Götzen der größeren Völker.
„Wir wollen sein wie die anderen Völker!“
Das ist der immer wieder betretene Weg von der
Religion zur Politik, von der Gottesherrschaft zur Staatsherrschaft, von der Freiheit zur
Knechtschaft.

J. S. Bach: Gott ist mein König (BWV 71) (Koopman)
Bach – Cantata “Gott ist mein König“ BWV 71 – 1/2

IV. Die Königszeit Das Intermezzo der Theokratie
SALOMO: DER ABSTIEG
Auf den Gipfel des Glanzes und der Macht des Königtums, den Davids Herrschaft und
Reich repräsentieren und als der sie im Gedächtnis seines Volkes geblieben und Symbol alles echten Königtums geworden sind, folgt rasch der Abstieg. Zwar nicht äußerlich – darin geht es sogar noch weiter – aber innerlich, als Abfall. Es wiederholt sich dieser Wechsel, der Israels Geschichte so bedeutsam durchzieht, dieser Rhythmus der Annäherung an Gott und des Abfalls von ihm. Diese Entwicklung wird durch Salomo repräsentiert. Das Bild Salomos wird, im Gegensatz zu dem Davids, im biblischen Bericht idealisiert. (1) Er ist stark Hofgeschichte. Und doch nicht ganz. Jene Wahrheit und Wahrhaftigkeit, welche die Bibel kennzeichnet (und sie zum „Wort Gottes“ macht), bricht immer wieder durch. (1) Einer solchen Idealisierung entstammt wohl ohne Zweifel die Erzählung von dem Traume Salomos und von seinem weisen Urteil in dem Fall der zwei um das Kind streitenden Frauen. (I. Könige 3.)

1. DIE WAHLMACHER
Schon die Art, wie Salomo zum Königtum gelangt, ist für den Abstieg bezeichnend.
Er wird nicht König durch Erwählung wie Saul und David, und nicht einmal durch Wahl, sondern durch Erbschaft und dazu durch Intrige, verbunden mit gewaltsamer Beseitigung des rechtmäßigen Thronfolgers. Da ist von Israels Art wenig mehr übrig; die Theokratie wird durch den Despotismus ersetzt.

2. DIE GROSSE POLITIK
Rasch geht das Königtum auch zu einer Außenpolitik über, die dem alten Israel, auch David noch, fremd war. Durch die Heirat mit der Tochter Pharaos wird mit Ägypten angeknüpft, dem „Erbfeind“, aus dessen Knechtschaft sich Israel einst unter Moses im Namen des lebendigen Gottes befreit hatte. Ein typischer Vorgang! Selbstverständlich gerät Israel damit in eine gewisse politische, wirtschaftliche und kulturelle Abhängigkeit von Ägypten. Denn gegenüber Ägypten wird Israel, das früher diesen Maßstab nicht kannte, sondern unter Gott in sich ruhte, ein Kleinvolk. Auch mit Hiram, dem König von Tyrus, entsteht ein
ähnliches, wenn auch hier mehr auf Gleichheit der Macht beruhendes Verhältnis.
Es ist aus Theokratie Politik geworden, aus dem Rex schon ein wenig ein Imperator
(1) und aus Jahve ein wenig ein Jupiter Capitolinus (2), wenn auch alles noch in nuce (3). (1) d. h. aus dem Volkskönig ein selbstherrlicher Gewaltherrscher. (2) der römische Staatsgott,
Repräsentant und Garant des römischen Reiches.
(3) d.h.: im Keime.

3. DIE ENTWICKLUNG ZUM STAAT
Dazu gehört, daß nun auch die Entwicklung zur Staatlichkeit, die bei David nur in Ansätzen vorhanden ist, rasch vor sich geht. Um den Unterschied zu kennzeichnen, der in dieser Beziehung zwischen Davids und Salomos Herrschaft besteht, müssen wir nun auf jene für den modernen Staatsmenschen auf den ersten Blick seltsame Geschichte von der unter David in Szene gesetzten Volkszählung zurückgreifen (vgl. 2. Sam. 24). „Und Gottes Zorn entbrannte aufs Neue gegen Israel, so daß er David gegen sie aufstiftete: Auf, zähle Israel und Juda!“ Es ist bezeichnend, daß diese Zählung vom Militär durchgeführt wird. Aber dann schlägt David das Gewissen. „Und David sprach zu Gott: ‚Ich habe mit dem, was ich tat, schwer gesündigt. – Denn ich war schwer betört.‘ “ Und es erscheint – typischerweise! – ein Prophet mit Namen Gad und läßt David die Wahl in der Art der Strafe für sein Unterfangen.
David wählt statt einer Unterwerfung unter die Feinde eine verheerende Pest, die zwar nur drei Tage dauert, aber die Volkszahl Israels doch stark reduziert. „Mir ist sehr bange: laß uns in die Hände Gottes fallen; denn sein Erbarmen ist groß; aber Menschen möchte ich nicht in die Hände fallen.“ Worin besteht denn Davids Sünde, worin seine Betörung? Die Antwort ist nicht schwer: Es ist wieder das Werdenwollen wie andere Völker, die stete große Versuchung Israels bis auf diesen Tag. Aus der Herrschaft des lebendigen Gottes, deren Werkzeug das Königtum noch ist, soll ein Staat werden, aus dem, was nur anvertrautes Lehen ist, ein Besitz und eine Sicherheit; aus Gottes Sache ein Menschengemächte. Das empfindet David tief. Er erkennt seine Betörung. (Was uns so selbstverständlich erscheint, wird ihm zur tödlichen Schuld.) Er erkennt, daß es sich in dieser Sache um Israels Sein oder Nichtsein handelt, und tut Buße. Und es ist wieder ein Stück allgemeiner Geschichte, die damit aus dem Volke auftaucht. Denn dieses Zählen im Dienste des Machtbesitzes, dieses Gewichtlegen auf das Quantum, den Umfang, ist es nicht das Wesen des Imperialismus? Und kommt die Welt nicht auf diesem Wege von Gott los – bis in den Weltkrieg und den Weltuntergang hinein? Dieses Erschrecken Davids aber, diese Erkenntnis seiner „Betörung“, ist es nicht die Rettung der Welt? Ist es nicht der Sinn Israels? Bis auf diesen Tag? Und ist nicht der „Judenstaat“ auch eine „Betörung“, ein Abfall von Zion? Salomo aber geht den Weg, den David so tief als Irrweg erkannt hatte. Denn er ist nicht unter Gott. Die Theokratie ist vorüber. Er läßt das Land in Vogteien einteilen, was Volkszählung irgendwie voraussetzt. Denn diese Einteilung geschieht zunächst um der Steuern willen. Von solchen hat man unter Saul und David nichts gehört. Da begnügte man sich mit Geschenken an den König. Aber die Steuer ist das spezifische Zeichen der Staatlichkeit. Und welch ein Grundelement der Geschichte ist sie, zum Teil verbunden mit dem Zehnten der Kirche, geworden! Welch eine Last für die Völker! Welch ein Werkzeug ihrer Aussaugung und Unterdrückung! Diese ganze Organisation zerstört vollends den demokratischen Föderalismus, welcher unter Gott Israels echte, ursprüngliche Lebensform ist. An die Stelle des Anarchismus der Unmittelbarkeit unter Gott tritt die Bürokratie. Und das Militär wird die Stütze dieser „neuen Ordnung“. Auch es wird im Zusammenhang mit der neuen Orientierung neu organisiert. Der Militarismus tritt endgültig zum Despotismus. Durch diese „neue Ordnung“ im Sinne der despotischen und bürokratischen Verstaatlichung entfernt sich das Königtum vom Volke. Weg ist jene Volkstümlichkeit des Davidischen Königtums, worin sich noch der theokratische Charakter spiegelt. Nun umgibt den König jene Majestät, die durch das Hofzeremoniell geschützt wird, die den „andern Völkern“ nachgeahmt ist und die im Grunde eine Vergötzung bedeutet, eine Nachahmung der Gottheit durch den König und Imperator. Dazu gehört noch ein anderer Zug. Während das theokratisch begründete Volkskönigtum Sauls und Davids von äußerster Einfachheit und Anspruchslosigkeit ist, weil es seine Beglaubigung von Gott hat und damit in sich selbst trägt, muß das despotische sich mit Glanz und Luxus umgeben. Es muß namentlich stolze Bauten ausführen; immer und immer wieder wird das ein Kennzeichen der Despotie, wie alles Götzendienstes. Glanz und Üppigkeit der Lebenshaltung aber gesellen sich von selbst dazu. Diesem Zwecke vor allem dienen ja auch in der neuen Ordnung Salomos die Steuern. Sie werden zur Ausbeutung.
Sie reißen eine breite Kluft auf zwischen dem Volke und dem König, um den sich eine wohl stark aus dem Beamtentum der Bürokratie bestehende Aristokratie sammelt, die an dem aus dem Volke gepreßten Reichtum teilnimmt. Und im Hintergrund taucht jene Revolution auf, deren vollendete typische Gestalt immer noch die französische Revolution ist.
Die Bauten der Nazis, gestern und Heute Doku (2002)
Böse Bauten (2/2) Hitlers Architektur – Eine Spurensuche in Berlin
Böse Bauten – Hitlers Architektur im Schatten der Alpen
Böse Bauten IV – Hitlers Architektur – Spuren vom Westwall bis zur Autobahn
Böse Bauten II – Spurensuche in München und Nürnberg

4. ENRICHISSEZ-VQUS! (1)
Dabei lautet die Losung: „Friede!“ „Salomo“ heißt „Friedrich“. Seine ganze Regierung ist im Gegensatz zu der Davids friedlich. Salomo ist nicht der Mann des Krieges oder überhaupt des Kampfes. Aber was ist es für ein Friede? Ist es wirklich der Friede Gottes, der den Kampf für Gott krönt? Ist es wirklich der Friede des heiligen Rechtes, oder bloß der Scheinfriede der Despotie? Die Antwort ist nicht zweifelhaft. Und wie es ein Friede der Despotie ist, so ist es ein Friede des Kapitalismus. Jene Luxuslinie, die zu den Steuern, dem Steuerdruck und dem Steuerunrecht geführt hat, wird in einer gewissen äußeren Politik fortgesetzt.
Das Land ist doch zu arm, um den neuen Ansprüchen des Königtums und der mit ihm verbundenen Schicht zu genügen; es müssen noch andere Quellen gesucht werden. Als solche bietet sich der Handel an. (1) „Bereichert euch!“ Man erinnert sich daran, daß unter Louis Philippe, dem späten Erben der Französischen Revolution, dem Bürger diese Losung ausgegeben wurde. Bei ihrem Urheber, dem Minister Guizot, hatte sie noch nicht ganz den zynischen Klang, indem sie bei ihm lautet: „Bereichert euch durch Arbeit, und ihr werdet Wähler werden!“ (weil damals das Wahlrecht an ein gewisses Einkommen geknüpft war.)
In ihrer verkürzten Form wurde sie zur eigentlichen Parole jener Zeit und charakterisiert durchaus zutreffend den Zynismus des zur Herrschaft gelangten Bürgertums. Salomo erwirbt sich, sicher nicht ohne politische und religiöse Konzessionen, von Pharao, seinem Schwiegervater, einen Hafen am Roten Meer (Ezjon-Geber); König Hiram aber leiht ihm die Hilfe, die ein Seefahrervolk gewähren kann (auch nicht ohne Konzessionen), und so bekommt Israel auch eine Flotte, „wie die andern Völker“. Diese fährt bis nach Ophir, dem Goldlande, und holt eine Ausbeute im Werte von 420 Talenten (= ca. 40 Millionen Franken) zurück. Daneben wird mit Ägypten ein schwungvoller Pferdehandel getrieben.
Es ist der Staatskapitalismus, den wir vor uns haben und zwar in derjenigen Form, die man später Merkantilismus genannt hat, und die aus ähnlichen Motiven, als Hilfsmittel luxuriösen Despotismus, entstanden ist. Damit ist ein neues Element der Kultur auf den Plan getreten: der Handel. Es braucht nicht dargestellt zu werden, was dieses Element in der Geschichte der Völker bedeutet, sowohl nach Außen, wie nach Innen. Seine zwei Seiten sind bekannt. Er ist auf der einen ein Element der Verbindung der Menschen und Völker zur Mehrung von Wohlfahrt und Wissen, auf der andern Seite aber ein Werkzeug der Ausbeutung und eine Hauptursache des Zwiespaltes, des Völkerkrieges und des Bürgerkrieges, ein Verbündeter von Imperialismus und Militarismus und eine Hauptursache des Kapitalismus und der Geldherrschaft. Er hat aber zur Voraussetzung den Industrialismus, die Verwandlung der Güter der Erde in Ware, und macht dann vollends, als Wirkung, diesen groß. Wie aber der Handel ursprünglich und lange, lange noch wesentlich Seeräuberei und Sklavenhandel ist, so hat dieses ganze System seinen Räubercharakter und Versklavungscharakter bewahrt. Von Gott und dem Leben aus Gott, dessen Urform und Urausdruck im Wirtschaftlichen die Landwirtschaft ist, kommt man auf diesem Wege immer
weiter ab – bis zur Weltkatastrophe.

Kein Händler wird an jenem Tag mehr im Haus des Herrn der Heere sein (Sach 14,21)
Kein Händler wird an jenem Tag mehr im Haus des Herrn der Heere sein (Sach 14,21)

5. DIE KLASSENBILDUNG
Wenn wir nun zu Salomo und zu Israel zurückkehren, so liegt auf der Hand, was für Rückwirkungen auf das politische, soziale und kulturelle Leben des Volkes diese Entwicklung haben muß. Auf die Verflechtung mit der Großmachtpolitik haben wir schon hingewiesen. Im Innern aber entsteht nun mit dem, was wir, eine Kategorie der Neuzeit vorausnehmend, Kapitalismus genannt haben, im gleichen Sinne verstanden eine Großbourgeoisie. Nicht ein Geburts-Adel, sondern ein Besitz-Adel (was zwar eine contradictio in adjecto ist = Ein Widerspruch in sich selbst), ein Besitz-Bürgertum als Klasse. Und damit entsteht mit Notwendigkeit, wenn zunächst auch nur in Ansätzen, auch ein Proletariat. Israel ist bisher, unter Gott, ein föderalistisch-demokratisch und genossenschaftlich organisiertes Bauernvolk gewesen, dem ein bescheidenes, auch mehr bäuerliches Handwerkertum eingegliedert war; nun wird es, von Gott entfernt, von dem sozialen Problem ergriffen, das ja auch in den Mittelpunkt aller Geschichte tritt, und wird auch darin, im Bösen, vor allem freilich – durch die felix culpa – im Guten das Volk. Es ist nun inmitten des Volkes selbst dieses Element der Klasse aufgetaucht, das wieder eines der Grundbestandteile des geschichtlichen Lebens bildet. Wir können seine Bedeutung wohl am besten mit den Worten des „Kommunistischen Manifestes“ markieren, das klassisch jenen sogenannten Geschichtsmaterialismus vertritt, durch den dieses Element, allerdings mit starker Einseitigkeit, in den Vordergrund aller Geschichtsdarstellung gerückt und als wesentliche Triebkraft aller Geschichte erklärt worden ist:
„Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen. Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und Gesell, kurz Unterdrücker und Unterdrückte, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen.“ Es ist auf keine Weise ein Zufall, daß diese Worte von einem späten Abkömmling Israels, Karl Marx, stammen! Und es ist auch kein Zufall, daß der gleiche Israelite am Schlusse dieses folgenreichsten politischen Revolutionsmanifestes schreibt:
„Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen.
Sie erklären es offen, daß ihr Zweck nur erreicht werden kann durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung. Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euch !

Die hier angekündigte Revolution bezieht ihre Kraft aus dem größten Revolutionsbuch, welches die Bibel ist und welches freilich noch höher und tiefer greift. Sie stellt einen, freilich vom Ursprung entfernten Ausbruch jenes Messianismus dar, dessen
Verkörperung der Messias ist, der „Sohn Davids“
; sie ist ein flammender, wenn auch vielfach durch Irrtum getrübter Abglanz jenes Gottes- und Volksrechtes, das von Moses
bis zu David geht.

6. DER EINZUG DER KULTUR
Mit diesen Entwicklungen geht eine andere, nicht weniger bedeutsame, parallel:
der
Eintritt Israels in die Kultur.
Israel ist bisher, wie wir betont haben, kulturlos gewesen. Freilich nur in einem oberflächlichen Sinne des Wortes. Es hat ja, unter Gott, eine wunderbar einfache, aber große und tiefe Kultur besessen, eine allgemeine Volkskultur, aus der, um sie nur durch diese Beispiele zu charakterisieren, das Lied der Debora und die Fabel Jothams aufsteigen. Aber es besaß nicht die „Kultur“, die auf Räuberei, Sklaverei und Staatsgötzentum begründete der Nachbarn, der Philister, der Syrer, der Phönizier. Jetzt wird es in diese hineingezogen. Das wird an Salomos Beispiel illustriert. Es heißt von ihm (I. Könige 5, 9ff.): „Und Gott verlieh Salomo seht viel Weisheit und Einsicht und Reichtum des Geistes, gleich dem Sande, der am Ufer des Meeres ist, sodaß die Weisheit Salomos größer war als die Weisheit aller, die gegen Morgen wohnen und als alle Weisheit Ägyptens. Und er war weiser als alle Menschen, als Ethan der Esrahiter und Heman und Chalkol und Darda, die Söhne Mahols, und war berühmt unter allen Völkern ringsum.“ So mochte es der nationalen Einbildung (und Halbbildung!) vorkommen; es besteht ja auch in Kultursachen ein Konkurrenzverhältnis, das neuerdings sich als „Kulturpropaganda“ bezeichnet. „Und er redete dreitausend Sprüche, und seine Lieder waren tausendundfünf.“ Das Quantum spielt ja bei dieser Art von Kultur eine große Rolle! „Und er redete über die Bäume, von der Zeder auf dem Libanon bis zu dem Ysop, der aus der Mauer hervorwächst. Auch redete er über die Tiere und die Vögel, über das Gewürm und die Fische.“ Herrscher dieser Art, meistens in ihrem eigentlichen Beruf im Grunde Dilettanten, oder auch Diktatoren, die sich der Unrechtmäßigkeit oder des Ungenügens ihrer Stellung bewußt sind, lieben es, in Wissenschaft und Philosophie und auch in Kunst zu machen, und bilden sich ein, darin mit den wirklichen Gelehrten und Künstlern zu wetteifern. Es fehlt dafür bis in die neueste Zeit nicht an Beispielen. Fast immer ist es ein Zeichen des Versagens im Wesentlichen. Denn der von Gott geleitete Herrscher, sei’s auch nur in Form der „Pflicht“, hat nur seinen Beruf (im weiteren Sinn) im Auge. Eine gewisse Kultur, besonders in Gestalt der „Kunst“, dient bloß der Zerstreuung,
im prägnanten Sinne des Wortes, und auch der Betäubung. Sie lenkt von Gott ab, die Einzelnen wie die Völker, die Beherrschenden wie die Beherrschten. Israel wetteifert also nun in der Kultur mit den „andern Völkern“.
Es ist stolz auf seine Wissenschaft, seine Schulen, seine technischen Errungenschaften, nicht mehr, wenn man so sagen darf, auf seinen Gott. Auch darin wird es nun im üblen Sinne das Volk. Denn auch das ist eine allgemeine geschichtliche Entwicklung. Wieder taucht jenes große Thema der Kultur auf, das wir in der Urgeschichte besprochen haben: der Kultur mit ihren Siegen des Geistes, der Erweisung der Macht des Geistes, aber auch mit ihrem Abkommen von Gott bis zur Weltkatastrophe. Es ist aber hier auch ein Wort über Salomos Weisheit zu sagen. Denn durch diese ist er ja berühmt geworden und gekennzeichnet. Er ist der weise Salomo, und salomonische Weisheit fast der Gipfel aller Weisheit. Wie steht es damit? Das Urteil gründet sich besonders auf Zweierlei: jenen Traum Salomos, worin er nicht um langes Leben, Reichtum und Sieg über die Feinde bittet, diese natürlichen Grundelemente alles Lebens, sondern um ein gehorsames Herz, sein Volk recht zu regieren, und um die Fähigkeit, Gut und Böse recht zu erkennen, sodann auf sein Urteil im Falle der zwei um das Kind streitenden Frauen. Was ist davon zu halten? Salomo muß wohl etwas von dieser „Weisheit“ besessen haben. Es mag ihm in seiner Jugend und in seinen Anfängen auch ein gewisser Idealismus geeignet haben.
Ein mannigfach begabter Mensch war er ja ohne Zweifel. Aber es war ein Element unter anderen und ging rasch in diesen unter. Jedenfalls vermissen wir in seiner ganzen Regierung eine höhere Weisheit, die Weisheit von Gott her. Seine Weisheit ist mehr ein Stück Kultur,
ihr Glanz ein Stück Glanz der Kultur.

7. DER TEMPELBAU
Und zu dieser Entwicklung gehört nun als Krone die Religion. Die Religion, nicht die Gottesherrschaft. Salomo krönt seine Regierung durch den Bau des Tempels, der dann seinen Namen durch die Jahrhunderte und Jahrtausende trägt. Man hat ihm, an Hand des in dieser Beziehung tendenziösen biblischen Berichtes, diesen Tempelbau zur besonderen Ehre angerechnet. Ganz mit Unrecht; es ist in Wirklichkeit ein Abfall und noch der stärkere Abfall als der in die Staatlichkeit, den Kapitalismus, die Kultur. Die Stiftshütte war etwas viel Größeres. Sie war als solche, als wanderndes Zelt, das Symbol des
lebendigen Gottes.
Sie schloß nicht Altäre und Bilder, Pracht und Herrlichkeit aller Art ein und war nicht Stätte eines glanzvollen und mystischen, von einem glanzvollen und mystischen Priestertum gefeierten Kultus, sondern barg in herber Einfachheit nur Eins, aber dafür umso Kostbareres: die Lade des Bundes mit Gott und darin die Tafeln des Gesetzes, den Stab Aarons und ein Gefäß mit Manna. Und sie war damit im Besonderen das Symbol des
lebendigen Gottes. Nicht umsonst hieß die Stiftshütte das Offenbarungszelt. Sie war das Symbol des Gottes, der sich in immer neuen Taten seiner Macht und Erschließungen seiner Wahrheit kund gibt. In ihr wohnte Gott offenbar und doch geheimnisvoll, geheimnisvoll und doch offenbar, mitten unter seinem Volke.
Er war sein Heiligtum, er war Gott.
So hat ihn auch David geehrt. Er hat in heiligem Jubel die Bundeslade auf Zion gebracht, aber er hat nie an einen Tempel gedacht. Dafür war er dem lebendigen Gott zu nahe.
Er wußte noch, daß Er Israels Heiligtum und Berufung bedeute. (1) Der Bericht der „Chronik“ (I. Chronik 22, 6 ff.), daß David Gott habe einen Tempel bauen wollen, Gott aber es ihm verboten habe, indem er zu ihm sprach: „Du hast viel Blut vergossen und große Kriege geführt; du darfst meinem Namen kein Haus bauen, weil die Erde vor meinen Augen so viel Blut hat trinken müssen, das du vergossen hast“, ist zwar sehr bedeutsam, atmet aber den Geist einer späteren Zeit und darf wohl nicht als historisch richtig gelten. Salomo aber baut einen Tempel. Weil er diesen lebendigen Gott nicht kennt. Aber Religion muß sein. Religion muß die neue Ordnung tragen. Religion muß auch die Despotie verherrlichen. Der Bund von Thron und Altar ist notwendig. Und wie der Despot einen großartigen Palast haben muß, so der Gott der Religion einen großartigen Tempel. (2) Es ist dabei immerhin bezeichnend, daß Salomo für den Bau des Tempels bloß sieben, aber für den seiner Paläste elf Jahre braucht. Der Tempel ist doch nur ein Reflex der weltlichen Paläste, wie Gott ein Reflex des Königtums. Wie der König von Luxus und Hofdienst umgeben ist, so soll es auch sein Gott sein. Damit aber ist Gott selbst, der lebendige, ausgeschaltet, wirksamer ausgeschaltet als durch alles Andere. Denn es geschieht ja in seinem eigenen Namen. Nun ist aus lebendiger Bewegung statische Ruhe, nun aus immer neuer Offenbarung träger Besitz geworden, der kein wirklicher Besitz ist, nun aus dem Gottesdienst der Wirklichkeit der symbolische des Kultus, nun aus Gottesherrschaft Religion. In diesem Sinne baut Salomo den Tempel. So kostbar und prächtig als möglich. Dafür wird das Volk durch Steuern ausgebeutet und durch Frondienst versklavt. Zugleich aber soll die dergestalt fixierte und verkörperte Religion über die Ausbeutung und Versklavung durch das ganze Regierungssystem hinwegtäuschen. Wie urtypisch ist auch das für die ganze Geschichte! Welch eine Rolle spielt das Bündnis von Thron und Altar! Wie dient es der Ausbeutung und Versklavung des Volkes von Salomo bis zu Ludwig dem Vierzehnten und dem Zaren von Rußland! Wie dient es aller Fürsten- und neuerdings Kapitalsmacht als Maskierung und Verklärung!
Bis der Tag kommt, wo infolge davon die Religion als Opium für das Volk erklärt wird, od., um Größeres zu nennen, gewaltige Volksbewegungen wie die Wickleffiten, Hussiten und Täufer die Kirchen und Klöster verbrennen und Luther in seinen Thesen erklärt, der Papst (wie er ihn damals noch sich vorstellt) wollte lieber, daß die, mit salomonischen Methoden erbaute, Peterskirche zu Asche verbrennte, als daß sie mit Haut, Fleisch und Knochen seiner Schafe erbaut werden sollte. So baut Salomo seinen Tempel. Und weiht ihn ein. Er stellt sich in großer Pose, sozusagen als Hoherpriester, vor das Volk und betet. Betet ein Gebet voll Heuchelei, indem er zugibt, daß der Himmel und der Himmel aller Himmel Gott nicht fassen könnten, geschweige denn dieses Haus, das er trotzdem gebaut hat, und er im übrigen den maskierten Sinn dieser Art von Religion verrät, indem er Gott um allerlei Dinge bittet, die der Ordnung, welche er vertritt, anliegen, aber kein Wort von Gottes Sache und Sieg sagt – auch darin urtypisch für einen wichtigen Teil der Geschichte. Dieser Tempelbau ist ein Abfall von Israel zum Heidentum. Denn der Tempelbau ist eben eine spezifische Sache des Heidentums. Daß Salomo sich das Material wie die Künstler und Werkmeister dafür von dem König von Tyrus holen muß, der sich dafür natürlich bezahlen läßt, ist kennzeichnend. Es ist das Haus eines Gottes, der nicht lebendig über der Welt und in der Welt waltet, sie richtend und erlösend durch seine Gerechtigkeit, sondern einer Gottheit, die in Geheimnis, Kultus und Mythus eingeschlossen ist und von einem mit dem Geheimnis vertrauten (angeblich vertrauten!) Priestertum verwaltet wird, eines Gottes, der vom Volke getrennt wird, eines Gottes, der Unrecht, Not, Sklaverei in all ihren gröberen oder feineren Formen zur „göttlichen Weltordnung“ macht und die letzte Sanktion des Bestehenden wird, wie er selber nur der letzte Ausdruck des Bestehenden ist. Es entspricht diesem Sachverhalt, daß Salomo, dieser Tempelbauer und Hohepriester, selbst immer offener zum reinen heidnischen Götzendienst abfällt, bezeichnenderweise besonders durch seine zahllosen, aus allerlei Völkern und Religionen herkommenden Weiber verführt. (Welch einen Götzendienst und welch einen Abfall bedeuten schon diese tausend Weiber!) Er will auch darin sein wie die andern Völker. Und so ist es mit der Religion allein immer gewesen. Der ihr immanente Götzendienst erzeugt allen andern. Die Religion artet in Bigotterie und Aberglauben aus und endet in der Skepsis und Freigeisterei oder in irgend einer trügerischen Mystik. Nur der heilige und lebendige Gott schützt sich selbst und trägt die Welt. Dieser Tempelbau, der an die Stelle der Stiftshütte tritt, geht durch die ganze Geschichte, bald als deren Stabilisierung, bald im Gegensatz dazu als deren Revolution. Es ist damit ein Grundthema auch der ganzen weiteren Geschichte Israels gegeben, dem wir nun immer mehr begegnen werden.

Und sie sollen mir ein Heiligtum machen, dass ich unter ihnen wohne. 2 Mose 25,8

Israelprojekte Geistliches Projekt: Stiftshütte
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Leonhard Ragaz, Die Bibel eine Deutung Jesus
Der Staat erscheint von vornherein als Abfall vom Gotte Israels, aus dem Gelüsten heraus, zu werden wie die andern Völker, und damit auch als Abfall zu dem Gott der andern Völker, dessen Name schließlich immer Baal ist. Der Versuch, dennoch ein Staat zu sein, hat Israel in die Katastrophe gestürzt. Aber noch mehr der Wille, ein Volk zu sein. Nämlich ein Volk „wie die andern“. Die Versteifung darauf, ein Volk zu sein statt das Volk, das Volk der Völker als Volk Gottes, des Einen Gottes, des lebendigen und heiligen Gottes, hat zum Untergang geführt. Aus dem Untergang ist Israel erstanden als Gemeinde. Mit innerer Notwendigkeit verfielen in neuer, gewaltiger Katastrophe Staat und Volk den Römern. Aber sie lebten doch, wie wir gesehen haben, auf ihre Art weiter und rüsteten sich zu einer neuen Erhebung. Darin sieht Jesus die drohende letzte Katastrophe.
Jesus will keinen Staat. Wie er über den Staat denkt, ist mit großartiger Einfachheit in jener Antwort an die Mutter des Jakobus und Johannes (Matthäus 20, 20-28 und Markus 10, 35-45) ausgesprochen: „Ihr wisset, daß die Herrscher der Völker sie tyrannisieren und ihre Großen sie vergewaltigen. Nicht so aber soll es bei euch sein, sondern, wer unter euch groß werden will, der sei euer Diener, und wer unter euch der erste sein will, der sei euer Knecht [„Sklave“]; so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld für Viele hinzugeben.“ Das ist deutlich die Aufhebung des Staates zu Gunsten der Gemeinde.
Und das ist der Ort, an den Jesus Israel stellen will. Es ist nicht nebensächlich, wenn
Jesus an dieser Stelle vom „Menschensohn“ redet. Vor seiner Seele steht offenbar das Gesicht Daniels (Kapitel 7), in dem die Reiche der Tiere abgelöst werden durch das Reich des Menschensohnes, mit andern Worten: das Weltreich durch das Reich des Menschen,
das Reich der Gewalt durch das Reich des Rechtes.