Sarah Kirsch

Sarah_Kirsch1

Sarah Kirsch und ihre Sehnsucht
SARAH KIRSCH – Die Luft riecht schon nach Schnee
Sarah Kirsch „Ich bin sehr sanft“
SARAH KIRSCH – Ich bin sehr sanft
SARAH KIRSCH – Kommt der Schnee im Sturm geflogen
Sarah Kirsch „Im Sommer „
Sarah Kirsch – Die Nacht streckt ihre Finger aus

Sarah Kirsch: Landwege – Eine Auswahl 1980 bis 1985

Sonne und Mond
Es ist der erste Februar und das Eis raschelt auf der Eider in einem dieser zarteren Winde, eine Serie wüster Orkane zog schon vorüber. Die Nacht war klar, Orion das Schwert hing am Himmel, der Mond geht neuerdings sechsuhrdreiundfünfzig auf, da sitzt das Kind längst im Bus um auf irgendeine Weise doch in die Schule zu gelangen. Ein paar Stunden später frißt die Sonne den Reif von den Wiesen, die Schafe stehen in silbener Landschaft und weiden das verfilzte winterliche Gras.

Fernrohr
Der Nebel kroch durch die Zäune und teilte Schwärme von Goldammern aus, die in den Weidenbüschen sonderbar sprangen. Die goldenen Kehlen die Sonnenfarbe aus der Erinnerung nahm sich hübsch aus in den tropfenbehangenen Zweigen bis der Ton eines eisenbeschlagenen Stockes sie für immer vertrieb. Schon nahte der Wanderer auf schwankendem Boden versuchte am Flußlauf den begleitenden Ulmen sich halbwegs zu orientieren nach Dänemark rein. Darnach waren wieder für Wochen nur der Wind die immer lauter zwitschernden Vögel vernehmbar.

La Pagerie
Im Garten von La Pagerie, einem Schlößchen an der Stelle, wo die Camargue in die Provence überläuft, sitzt eine rot gebrannte Dame und liest in einem Buch seit hundert Jahren die gleiche Seite. Derart versunken hat der Efeu sie überwachsen. Der Wind bewegt ein einzelnes Blatt auf ihrem Finger. Der endlose Himmel die verwirbelten Wölkchen darin, der uralte Mann auf dem Trecker von 1902 – verwunschenes Lachen.

Winterbesuche
Wir trinken ein paar Schlückchen Parfüm aus wundervollen Karaffen und halten die Füße ins Feuer wenn wir die Landkreise wechseln an der Kanalfähre die Glocke anschlagen. Nicht im Schlitten aber im Schneesturm gehts durch die Badeorte am Haus des Dichters des Schimmelreiters entlang worüber noch der Abendstern thront in den Schluchten furchtbarer Wolken wir auf dem leergefegten Tablett getragen vom knisternden Frost
fahren von Leibgericht zu Leibgericht hin den wundervollen Karaffen.

Landwege
Wir konnten uns nicht erinnern
An welcher Stelle das Wasser
Hin in den Untergrund ging und seit wann
Wir dieser Stromleitung folgten.
Die Blumen waren wohl lange verdorrt
Wie graue Esel lagen die Berge
Fünf Horizonte entfernt und wir rollten
In glitzernder bunter Luft
Auf einem irdenen endlosen Teller.

 

  

  

  

   

 

   

 

 

 

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert