Die Reformatoren

John Wyclif (um 1328-1384)

Reformatoren Wyclif – Hus
John Wycliff – Morgenstern der Reformation
John Wycliff
John Wycliffe Quotes
Christian Hoffarth Urkirche als Utopie
Christian Hoffarth Urkirche als Utopie
Böhmische Brüder
Die Geschichte der Taufbewegung in der Reformationszeit Teil 1 von Eberhard Arnold
Der Bruderhof im Licht der radikalen Reformation
Die Bekenntnischrift der Täuferbewegung – Die Schleitheimer Artikel (1527)

Bald fing Wycliff an, gegen die falschen Lehren und Praktiken der Kirche zu predigen und zu schreiben. Er verwarf unter anderem den Bilder- und Heiligendienst; er wandte sich gegen das Heiratsverbot für Priester, die Ohrenbeichte und den Ablasshandel. Er griff die Autorität des damals sehr mächtigen Papstes an und sagte, dass die Kirche auch ohne Papst leben könne, da Christus das alleinige Haupt der Kirche sei. In späteren Jahren wies er ferner die Transsubstantiationslehre (Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu) als unbiblich zurück.

Auch die Bettelmönche, die als Wanderprediger durch das Land zogen, wurden von ihm an den Pranger gestellt. Er tadelte, dass sie den Menschen auf der Tasche lagen und sie mit ihren phantasievollen, unbiblischen Predigten in die Irre führten. Als Wycliff einmal gefragt wurde, ob er die Bettelmönche mit einem Wort aus der Schrift belegen könnte, antwortete er kühl: „Wahrlich, ich kenne euch nicht“ (Mt 25,12).

Meisterlin, Siegfried – Die Lehre des Jan Hus
600 Jahre Konzil von Konstanz und Jan Hus
Ein böhmischer Wahrheitssuchender
Jan Hus Quotes
Zur Jan Hus – Ausstellung Predigttext Johannes 8,31 – 32
Exkommuniziert, verraten, verehrt
Jan Hus Video
Johannes Hus – Wegbereiter der Reformation – Tumulte in Prag
John Huss – Story of a Martyr
Reformation Overview – John Hus (Jan Hus)
Teufel begleiteten Jan Hus zum Scheiterhaufen
Kirche, Ketzer, Kurtisanen – Das Konzil von Konstanz Doku (2014)

Hus, Jan – Letzter Brief des Jan Hus aus Konstanz an seine Freunde in Böhmen
Gott sei mit euch! … Ich schreibe euch, liebe und treue Freunde im Herrn, um euch, so lange ich noch vermag, meine Dankbarkeit zu beweisen, und weil es mir stets zum Troste dient, mit euch durch Briefe zu reden. Ich sage euch, der Herr weiß wohl, warum er meinen Tod so lange hinausschiebt, wie auch den Tod meines geliebten Bruders, des Meisters Hieronymus1), von dem ich hoffe, daß er schuldlos und heilig sterben und im Leiden sich standhafter erweisen werde als ich unglücklicher Sünder. Gott gab uns eine lange Frist, damit wir besser unserer Sünden gedenken und sie ernstlicher bereuen … er gab uns Frist, damit wir an unsern König, den Herrn Jesus Christus, diesen gnädigen Gott, denken und im Gedenken aus seinen schimpflichen und qualvollen Tod um so freudiger leiden; auch damit wir uns erinnern, daß diese Welt nicht zur Freude da sei.
Wir sollen es bedenken, wie die Heiligen durch viele Martern ins Himmelreich eingegangen sind … Wer kann die Martern alle schildern, die die Heiligen im Alten und Neuen Bunde für die Wahrheit Gottes erlitten haben, besonders solche Heilige, die sich in ihren Predigten gegen die Bosheit der Priester gewandt hatten. … Das aber erfüllt mich mit Freude, daß sie meine Bücher doch haben lesen müssen, worin ihre Bosheit geoffenbart wird. Ich weiß auch, daß sie meine Schriften fleißiger gelesen haben als die Heilige Schrift, weil sie in ihnen Irrlehren zu finden wünschten. (1415) Gegeben am Donnerstag vor der Vigilie St. Petri abends, im Kerker und in Ketten, in der Erwartung des Todes.
Hieronymus aus Prag war der treueste Freund des Hus; er wurde 1416 ebenfalls in Konstanz als Ketzer verbrannt.

In der evangelischen Wahrheit (…), die ich geschrieben, gelehrt und gepredigt habe (…), will ich heute gern sterben.

Porträt von Johannes Calvin, gezeichnet von Hans Holbein dem Jüngeren

Zwingli und Calvin
Gedanken zum Reformationsjubiläum: Luther, Calvin, Zwingli
John Calvin Quotes
Aufruhr in Calvins Gottesstaat
NiederlandeNet – 16. – 18. Jahrhundert
Eberhard Busch Calvin und die Demokratie
Die Reformation in der Schweiz: Zwingli und Calvin
Prädestination (Vorherbestimmung)
Calvin Die Institutio online
The Institutes of the Christian Religion by John Calvin

Der 25 Jahre jüngere Calvin hat dann allerdings verschiedene Gedanken Zwinglis übernommen, z.T. fast wörtlich. So zu Themen wie: Verwerfung der Bilder, weil Gott unsichtbar ist; Teile der Abendmahlslehre (das Opfer Christi ist ein für alle Mal geschehen); die klare Zurückweisung von Heuchelei und Aberglaube; Nachordnung des Glaubens gegenüber der Gnade; Betonung, dass Rechtfertigung nicht allein steht, sondern ein christusähnliches
Leben (Heiligung) nach sich ziehen soll.

Der Staat als das „weltliche Schwert“ hatte nach Calvins Ansicht der Kirche uneingeschränkt bei der Durchsetzung ihrer Lehre zu dienen. Servet wurde auf Betreiben des Genfer Stadtrates hingerichtet – damit war Calvin seinem Ziel näher gekommen, die weltlichen Institutionen mit Männern seiner Couleur zu besetzen. Staat und Kirche arbeiteten nun Hand in Hand bei der Verwirklichung eines Gottesstaates nach reformatorischem Muster. Barmherzigkeit gegenüber Andersdenkenden galt dabei als „teuflisch und keineswegs christlich“, Milde als „äußerste Grausamkeit, da sie die unzähligen Wölfe schonen will,
um ihnen die ganze Herde Christi zum Fraß vorzuwerfen“.

Die Organisation des Gemeinwesens lief auf eine Theokratie hinaus, eine Herrschaftsform, bei der die Macht im Staat allein durch religiöse Vorstellungen und Vorschriften legitimiert wird. Zu ihrer Durchsetzung wurden Strafen verhängt, Verbannungen ausgesprochen und, allein in den ersten fünf Jahren, 56 Todesurteile vollstreckt.

Ein zweiter zentraler Aspekt der Lehre Calvins ist die Kirchenorganisation. Anders als die Weltorganisation der Römischen Kirche oder das lutherische Landeskirchentum konstituierte sich die reformierte Kirche von unten. Die mit Abstand wichtigste Organisationsform war dabei die Gemeinde, die mit vollem Recht als Kirche bezeichnet werden durfte.
Die Leitung der Gemeinde oblag nicht dem Pfarrer, einem Bischof oder gar einem weltlichen Herrn, sondern dem Presbyterium, einem Gremium aus Theologen und Laien. Hier wurden alle die Gemeinde betreffenden Beschlüsse gefällt. An diesem Punkt zeigt sich im Übrigen eine weitere Besonderheit der reformierten Konfession, denn Mitglied einer Gemeinde wurde man nicht ohne weiteres, etwa durch die Taufe. Vielmehr bedurfte es der – permanenten – Bewährung durch einen vorbildlichen Lebenswandel, um aufgenommen zu werden und auch zu bleiben. Diese Vorstellungen lassen sich auf die starke Beeinflussung Calvins durch das Alte Testament erklären, denn für ihn waren die Gemeinden nicht weniger als die Nachfolge des Volkes Israel. „Das neue Israel“ lautet
denn auch die Bezeichnung, die sich zahlreiche reformierte Gemeinden gaben.
In Bezug auf die Kirchenorganisation ist weiterhin erwähnenswert, dass Calvin die Trennung von Staat und Kirche vorsah. Die Obrigkeit sollte keinerlei Einfluss auf Kirchen- und Religionsangelegenheiten haben und war selbst der göttlichen Gewalt untergeordnet. Daraus haben Nachfolger Calvins schließlich Widerstandsrechte der Untertanen gegenüber ungerechten Herrschern und Tyrannen abgeleitet. Die bekannteste calvinistische Widerstandslehre ist dabei die der Monarchomachen, die in Frankreich am Ende des 16. Jahrhunderts von den Hugenotten entwickelt wurde.


John Wesley Evangelist, Philanthropist (1703–1791)

John Wesley Quotes


John Wesley

Zur Einführung
>Zwölf Köpfe reformatorischer Bewegungen<

Wenn man so will, strahlt die >Hoch-Zeit< damaliger reformatorischer Bewegungen bis hinein in unsere Gegenwart – gelten die reformatorischen >soli< doch heute ebenso wie damals:

>solus Christus< (allein Jesus Christus ist das Haupt der Kirche) /
>sola gratia< (allein aus Gnaden können wir gerettet werden) /

>sola fide< (allein durch den Glauben sind wir recht, gerecht(fertigt) vor Gott) /
>sola scriptura< (allein die Heilige Schrift ist Maßstab und Richtschnur christlichen
Lebens und kirchlichen Handelns).

Das reformatorische Erbe dieser >soli< zu bewahren, ist angesagt auch in heutiger Zeit.
Der Begriff >Reformation< leitet sich ab vom lateinischen Verbum >reformare< und bedeutet: >zurück-bilden<, >zurück-formen<, >zurück-führen. Damit ist also angedeutet: Es geht im Ansatz nicht darum, die Kirche zu erneuern / es geht nicht um eine neue Kirche, zudem nicht um eine, die sich fundamental von der bisherigen unterscheidet – sondern es geht um eine Rückbesinnung und um einen Rekurs hin zu den Quellen (>ad fontes<) und zu den Grundlagen der Kirche Jesu Christi, angefangen in der Zeit der Apostel und der ersten Christen, in der Zeit der Alten Kirche, längst bevor die römisch-katholische Kirche etwa erstand. Es geht darum, dass die Kirche Jesu Christi durch den Geist Gottes reformiert wird. Luther ging es nicht darum, eine lutherische Kirche zu gründen, das wahrlich nicht (vgl. WA 8.685). Es geht darum, dass allein das Zeugnis der Heiligen Schrift Quelle, Maß und Richtschnur allen kirchlichen Lebens und Handelns sein müsse / darum, dass der Vater Jesu Christi allein in der Mitte stehe, IHM allein »Anbetung, Ehre, Dank und Ruhm« (EG-Reformierte Kirche 281,3) gebührt / darum, dass allein Jesus Christus das Haupt der Gemeinde ist (Eph. 1,22; 4,15; 5,23 / Kol. 1,18) / darum, dass Gottes Wort gehört und befolgt wird. Darin waren sich alle Reformatoren zu allen Zeiten über alle Differenzen hinweg einig.

WIKIPEDIA Täufer

John Wyclif (*um 1330, + 31.12.1384): >Brot bleibt Brot und Wein bleibt Wein<

» …die Beschlüsse der Päpste und Konzilien sind Menschenlehren und wertlos, wenn sie nicht in der wörtlich auszulegenden Hl. Schrift enthalten sind. Die gegenwärtige Kirche ist die des Antichrists. In Wahrheit ist die Kirche >communio praedestinatorum.« (wie es später Johannes Calvin ausdrücken sollte: >die Gemeinde der von Gottes Gnade Erwählten<), »ihr einziges Haupt Christus.«

Wyclif war davon überzeugt, dass das Heil der Menschen allein auf göttlicher Gnade (>sola gratia<) gründet, dass allein Christi Beistand (>solus Christus<) heilsnotwendig ist. Er widersprach jeder priesterlichen Heilsvermittlung ebenso wie der Überzeugung: »extra ecclesiam nulla salus est« / >außerhalb der Kirche ist kein Heil<.

»Jedermann, welcher selig werden will, ist ein wirklicher Priester, von Gott
dazu gemacht, und jeder ist verpflichtet, ein solcher wahrer Priester zu sein.«

Die Vorstellung vom »Priestertum aller Gläubigen« (vgl. 1. Petr. 2,9) findet sich bereits bei John Wyclif realisiert – die bisher gültige Trennung zwischen Klerus und Laien gerät ins Wanken. Als Sakramente lässt Wyclif vom biblischen Befund her nur zwei gelten: Taufe und Mahl. Er leugnet die Überzeugung der Transsubstantiation (1215 dogmatisiert)(wonach sich also Brot und Wein durch priesterliches Rezitieren der Einsetzungsworte den Substanzen nach in wahrhaftig Leib und Blut Jesu verwandeln sollen) – von der geistlichen Präsenz Jesu Christi im Sinne einer Remanenz jedoch war er überzeugt. Dabei aber bleibt Brot: Brot – und Wein: Wein! Den Elementen kommt allein sinnbildliche Bedeutung zu, Brot und Wein werden >spiritualiter< empfangen. Kein anderer als Huldrych Zwingli sollte später den Symbolcharakter der Substanzen hervorheben – kein anderer als Johannes Calvin die Überzeugung der Virtual- und Spiritualpräsenz Jesu Christi in der Mahlfeier betonen!

Holzstich von 1563

Jan Hus (*um 1370, + 6. Juli 1415): >Die Wahrheit stirbt nicht in den Flammen!<

Ganz eng verbunden mit dem Konstanzer Konzil (1414-1418) ist der Name des Joannis Hus aus Husinec. Vor über 600 Jahren wurde er in der XV. Generalsitzung des Konzils am 6. Juli 1415 als verstockter Ketzer im Konstanzer Münster verurteilt, von sieben Bischöfen seines Priesteramtes entkleidet, drei Teufeln anbefohlen (»du verfluchter Judas!«) und noch am gleichen Tage vor den Toren der Stadt Konstanz (im heutigen Stadtteil >Paradies<) auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Hus entgegnete den sieben Bischöfen:

»lch vertraue dem Herrn, dem allmächtigen Gott, um dessen Namens willen ich diese Lästerung geduldig erleide, daß er selbst den Kelch der Versöhnung mir nicht entziehen wird, vielmehr hoffe ich festiglich, denselben heute noch mit ihm in seinem Reiche zu trinken!«.

Vor seiner Hinrichtung rief Hus flehentlich: »Christus, Sohn des lebendigen Gottes, erbarme Dich meiner!« Seine Asche wurde im Rhein verstreut, um jeden auch nur denkbaren späteren Reliquienkult von vornherein auszuschließen.

Zweimal war er zum Widerruf aufgefordert worden. Doch Jan Hus konnte und wollte nicht widerrufen, es sei denn, er würde aus dem Zeugnis der Heiligen Schrift und aus Gewissens- wie Vernunftgründen eines Besseren belehrt. Mit dieser festen Überzeugung hinzustehen, dies war in damaliger Zeit nun wahrhaft revolutionär, für manche gar ketzerisch!
Wen überrascht es da, wenn Jan Hus für diese Glaubenshaltung sein Leben lassen musste! Doch davon war er fest überzeugt: >Dle Wahrheit stirbt nicht in den Flammen<!
>Die Wahrheit wird siegen<, die Wahrheit Jesu Christi!

In der Linie Wyclifs kritisiert Hus (u.a. in seiner Schrift »De ecclesia« (1413)) die Praxis der Ablassbriefe (als ob sich Menschen ihren Platz im Himmelreich erkaufen könnten) – das Wohl- und Lasterleben der Priester – den Reichtum der Kirche – die Kreuzzugsbulle des Papstes – das Verständnis des Papstamtes (es gibt »kein Haupt dieser katholischen Kirche außer Christus«) – die Unfehlbarkeit des Papstes – schlussendlich auch die Überzeugung der Transsubstantiation (wonach Brot und Wein in wahrhaft Leib und Blut Christi verwandelt werden).
WIKIPEDIA Konkomitanz

Jan Hus plädiert in aller Entschiedenheit für die Mahlfeier als »communio sub utraque specie« und für den >Laienkelch<, also: >alle bekommen beides<, Brot und Wein / denn >wir sind nicht getrennt nach Priestern und nach Laien. Damit öffnet Jan Hus alle Türen
für >das Priestertum aller Getauften<! Etwa hundert Jahre später sollte ein Mann namens Martin Luther in seine Fußstapfen treten und seine Überzeugungen übernehmen!
Übrigens: Das Konstanzer Konzil verurteilte den >Laienkelch< am 15. Juni 1415 – dabei war es jedoch bis ins 13. Jhdt. hinein üblich, auch den Laien den Kelch zu reichen.
Hus schreibt (in: »Tractat von dem Greuel der fleischlichen Priester und Mönche«): »Ich glaube, daß es der Geist Jesu Christ sey, welcher mir offenbarte, daß Jenr ihr Leben nur
eine Maske der Gottseligkeit sey, indem sie unter dem Schein der Andacht die Welt lieb haben, und nur das Ihre suchen, nicht aber das, was Jesu Christi ist; oder ob ich mich richten solle nach der unzähligen Menge derer, welche aufs herrlichste und beste, ruhig und gemächlich, und doch daneben klug und andächtig leben, und sich getrost rühmen, sie stehen in Christo; aber dabei keine Liebe, keine Barmherzigkeit beweisen, sondern mit Worten und Werken verrathen, daß sie die Welt und das vergängliche Leben lieb haben …
Des Morgens geben sie ihren Mund her, Gott zu loben; den übrigen Tag aber gebrauchen sie denselben Mund, eitle Dinge zu reden, zu fressen, zu saufen, zu lästern. Des Morgens sind sie andächtige Leute, den Tag über grausam und geizig. Des Morgens halten sie mit großer Ordnung ihre Stunden, aber nach dem Essen reden sie Eitles, suchen Eitles, und entschuldigen doch alles damit, daß wir schwache Menschen seyen.«

Hus Kritik gegenüber damaligen Kirchenführern lautete: »Heutzutage herrschen nicht die Schüler Christi, sondern jene des Antichrist. Zu ihnen zählen Päpste und Bischöfe, die sich nicht scheuen, viele Tausend Menschen, für die Christus gestorben ist, leichtfertig zu bedrücken, um geistliche Ämter zu erhalten.«

Jan Hus äußert in seinem Traktat über die Dreifaltigkeit (1410):
»Ich glaube, daß es der Geist Jesu Christ sey, welcher mir offenbarte, daß Jenr ihr Leben nur eine Maske der Gottseligkeit sey, indem sie unter dem Schein der Andacht die Welt
lieb haben, und nur das Ihre suchen, nicht aber das, was Jesu Christi ist; oder ob ich mich richten solle nach der unzähligen Menge derer, welche aufs herrlichste und beste, ruhig und gemächlich, und doch daneben klug und andächtig leben, und sich getrost rühmen, sie stehen in Christo; aber dabei keine Liebe, keine Barmherzigkeit beweisen, sondern mit Worten und Werken verrathen, daß sie die Welt und das vergängliche Leben lieb haben …
Des Morgens geben sie ihren Mund her, Gott zu loben; den übrigen Tag aber gebrauchen sie denselben Mund, eitle Dinge zu reden, zu fressen, zu saufen, zu lästern. Des Morgens sind sie andächtige Leute, den Tag über grausam und geizig. Des Morgens halten sie mit großer Ordnung ihre Stunden, aber nach dem Essen reden sie Eitles, suchen Eitles, und entschuldigen doch alles damit, daß wir schwache Menschen seyen.«

Hus Kritik gegenüber damaligen Kirchenführern lautete: »Heutzutage herrschen nicht die Schüler Christi, sondern jene des Antichrist. Zu ihnen zählen Päpste und Bischöfe, die sich nicht scheuen, viele Tausend Menschen, für die Christus gestorben ist, leichtfertig zu bedrücken, um geistliche Ämter zu erhalten.«

Jan Hus äußert in seinem Traktat über die Dreifaltigkeit (1410):
»Die Wahrheit, die mir Gott in Gnade zu erkennen gegeben, vor allem die unserer Heiligen Schrift, will ich bis zum Tode verteidigen, weil ich weiß, dass sie in alle Ewigkeit bleibt und Kraft behält. Und wenn mich je die Todesfurcht erschrecken sollte, so hoffe ich zu meinem Gott und dem Heiligen Geist, der Herr möge mir dann genügend Stärke verleihen und mich für würdig befinden, dass ich die Märtyrerkrone trage.«

Jan Hus riet: »Treuer Christ, suche die Wahrheit, höre auf die Wahrheit, lerne die Wahrheit, liebe die Wahrheit, sprich die Wahrheit, halte die Wahrheit, verteidige die Wahrheit bis in den Tod, denn die Wahrheit befreit dich von der Sünde, vom Teufel, vom Tod der Seele und schließlich vom ewigen Tod, der ewigen Trennung von Gottes Gnade … Besser ist es, für die Wahrheit den Tod zu erleiden als durch Schmeichelei einen Vorteil hier auf Erden zu genießen.« Mit der >Wahrheit< gemeint ist Jesus Christus.
In einem seiner Briefe an Freunde steht zu lesen: »O gütiger Herr Christus, ziehe uns Schwache dir nach, denn wenn du uns nicht ziehst, so können wir dir nicht folgen; gib einen starken Geist, der willig sei; und wenn das Fleisch schwach ist, so laß deine Gnade vorangehen, begleiten und nachfolgen; denn ohne dich können wir nichts tun … Gib willigen Geist, ein unerschrockenes Herz, rechtschaffenen Glauben, festes Hoffen, vollkommene Liebe, damit wir um deinetwillen geduldig und mit Freuden unser Leben dran geben! Amen!«

Der Tod von Jan Hus löste in ganz Böhmen Aufstände aus, die schließlich in die Hussitenkriege gegen König Sigismund und gegen die Römische Kirche führten (1419-1436). Symbol dieser Bewegung wurde der >Laienkelch< , den der Prager Magister Jakubek von Mies in der Prager Kirche >St. Martin auf der Maur< eingeführt hatte und den Jan Hus befürwortete. Wegweisend wurden »die vier Prager Artikel von 1420 «: »1. freie  Predigt des göttlichen Wortes, 2. Laienkelch, 3. Säkularisation des Kirchengutes und Rückkehr des Klerus zur apostolischen Armut, 4. strenge Kirchenzucht im Klerus.«

Magister Jan Hus vertrat Überzeugungen, die sich später für alle Reformatoren als wegweisend erwiesen und die sich in den sogenannten reformatorischen >soli< konzentrierten: >solus Christus< (>allein Jesus Christus gewährt den Menschen ewiges Heil, nicht die Kirche / allein Jesus Christus ist das Haupt der Kirche<) – >sola gratia< und >sola flde< (>allein die Gnade, allein der Glaube macht den Menschen recht und gerecht(fertigt) vor GOTT / allein aus Gnaden können wir gerettet werden<) – >sola scriptura< (>allein die Heilige Schrift ist Quelle und Richtschnur christlichen Glaubens und Lebens / allein die Heilige Schrift ist Maßstab und Richtschnur christlichen Lebens und kirchlichen Handelns<).

 

Martin Luther (*10.11.1483, +18.02,1546): »Ein` feste Burg ist unser Gott«

Die >Möncherei< nahm er ernst wie kaum ein anderer, fast hätte er es mit dem eigenen Leben bezahlt. »Ist je ein Mensch in den Himmel gekommen durch Möncherei, so wollte ich auch hineingekommen sein«, konnte er von sich behaupten (WA 38,143, 25ff.). Gerungen, gekämpft hat er mit Fragen wie diesen: »Wie kriege ich einen gnädigen Gott?« / >Muss ich bis an mein Lebensende vor dem Heiligen Gott zittern? / Wird mich all mein Tun und Lassen am Ende aller Tage vor dem strengen Richter-Gott rechtfertigen und gerecht sprechen? Werde ich vor Gottes Richterthron überhaupt bestehen können? Meine Leistungen, meine Werke, und seien sie noch so gut: Machen mich meine guten Werke denn recht und gerecht vor Gott?? Aus eigener Anstrengung heraus muss ich das schaffen, aber schaff ich das?? Erwerbe ich mir meinen Platz im Himmelreich, meinen Platz im himmlischen Festsaal?< – Luther lernte es zu schätzen, was es bedeutet: >Das Leben der Gläubigen sei stete, ständige Buße zu Gott<, nichts als tägliche Reue und Umkehr (so die erste These von 1517) – und: »Buße ist eine fröhliche Sache!«, denn sie erleichtert, sie befreit von seelischen Altlasten, lässt neu aufleben!

»Gute, fromme Werke machen nimmermehr einen guten, frommen Mann – sondern ein guter, frommer Mann tut gute, fromme Werke

Am Anfang: »Furcht und Zittern« – am Ende: »Wir sind Bettler, das ist wahr!« Und dazwischen? – Da begegnet der vom Teufelsglauben und von Höllenqualen her ängstliche, manchmal depressive, manchmal auch aufbrausende Mönch im Alter von 35 Jahren (nicht mehr dem zürnenden GOTT und dem richtenden Christus, sondern) dem gnädigen GOTT. / Dem GOTT, der den Sünder freispricht. / Dem GOTT, der mich Menschen mit Seiner Barmherzigkeit, mit Seiner Warmherzigkeit wie mit einem Mantel umgibt. / Dem GOTT begegnete Martinus Luder, der dem Menschen unverdient Seine Gnade schenkt, der ihm den Glauben ins Herz legt und der den Menschen durch Seine Liebe aufbaut. / Dem GOTT, vor dem ich Mensch recht und gerecht und gerechtfertigt bin »ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben!« (Röm. 3,22.28, vgl. Hab 2,4, vgl. Ps. 31,2). /
»Sola fide!« In Röm. 1,16.17 fand Luther »die Pforte zum Paradies«.
Diese Paulus-Worte lösten im Frühjahr 1516 (?) sein >Turmerlebnis< aus in seiner Studierstube im Gartenturm des >Grauen Klosters< in Wittenberg. Anfechtungen blieben ihm dennoch weiterhin nicht erspart, aber gerade auch dann konnte er sich darauf besinnen: »Baptizatus sum!« / >Ich bin getauft!< Wohl nicht nur einmal schrieb Luther diese Worte mit Kreide auf den Tisch, um sich dessen zu vergewissern: >Ich bin nicht allein! Komme, was wolle:
GOTT hält zu mir! <

»Mit so großem Haß, wie ich zuvor das Wort >Gerechtigkeit Gottes< gehaßt hatte, mit so großer Liebe hielt ich jetzt das Wort als das allerliebste hoch. So ist mir diese Stelle des Paulus in der Tat die Pforte des Paradieses gewesen.«

Im Jahre 1529 erschienen >Luthers Kleiner und Großer Katechismus< (den einen für die Hausväter und Familien, den anderen für die Pfarrer), darin der Satz:

Im Jahre 1529 erschienen >Luthers Kleiner und Großer Katechismus< (den einen für die Hausväter und Familien, den anderen für die Pfarrer), darin der Satz:

»Ein Gott heißt das, von dem man alles Gute erwarten und bei dem man Zuflucht in allen Nöten haben soll, so daß >einen Gott haben< nichts anderes ist, als ihm von Herzen trauen und glauben … «

Das erste Gebot erhält die Auslegung: »Wir sollen Gott über alle Dinge lieben, fürchten und vertrauen.«

»Glauben ist Vertrauen auf Gott, dankbar sein in allem Guten und Zuflucht haben in allen Nöten, also dass einen Gott haben nichts anderes ist, denn ihm von Herzen trauen und glauben. Ist der Glaube und Vertrauen recht, so ist auch dein Gott recht; und wiederum, wo das Vertrauen falsch und unrecht ist, da ist auch der rechte Gott nicht. Denn die zwei gehören zusammen, Glaube und Gott. Worauf du nun (sage ich) dein Herz hängst und
verlässt, das ist eigentlich dein Gott.
« (Großer Katechismus, Auslegung des ersten Gebots)

Grundinhalte von Luthers Denken finden sich
– in seiner Überzeugung von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnade,   >sola gratia< (»simul iustus et peccator«)-
– in der durch den Römerbrief (1,17; 3,21.22, dazu Ps. 31,2) ganz neu entdeckten »iustitia Dei (qua nos deus misericors iustificat«}, die er bisher als richterliche Gerechtigkeit Gottes gefürchtet hatte-
– in der >theologia crucis< (entfaltet in seinen 28 theologischen Heidelberger Thesen von 1518) –

Martin Luther formulierte in der 14. seiner 95 Thesen:
„Ist die Liebe (zu Gott) unvollkommen, so bringt…das notwendig große Furcht”.
Und in seinem Kommentar zu dieser These spitzte er zu, dass letztlich die Furcht auf einen Mangel an Gottesglauben zurückzuführen sei, auf ein defectum fidei.
Befreit von Furcht – ermutigt zur Gewaltfreiheit

Philipp Melanchthon (*16.02.1497, +19.04.1560): »Gottes Wohltaten erkennen«

»Auf zwei Dinge ist wie auf ein Ziel das ganze Leben auszurichten: Bildung und Frömmigkeit« – davon war Philippus überzeugt. Und: »Die Geheimnisse der Gottheit sollten wir besser anbeten als zu ergründen versuchen.«

Das sagte der Mann, der Theologie lehrte, aber nie als Priester agierte, also ein sogenannter >Laie< (!). Das sagte der Mann, der Glauben und Wissen(schaft) miteinander verband, Frömmigkeit und Bildung / der seinen Verstand doch nicht ausschaltete, wenn es um Glaubensfragen ging! »Christus erkennen, heißt: seine Wohltaten erkennen!«

Melanchthon äußerte den Stadträten gegenüber in Nürnberg: »Wenn auf eure Veranlassung hin die Jugend richtig unterricht wird, wird sie der Schutz der Stadt sein, denn kein Bollwerk und keine Befestigung macht eine Stadt stärker als gebildete, kluge und mit anderen Tugenden begabte Bürger.« Erziehung, >eruditio<, verstand er als >Ent-Rohung<.  »Die Sitten der Völker würden notwendigerweise in Barberei ausarten, wenn sie nicht durch die Wissenschaften und Frömmigkeit angetrieben ind angeleitet werden.«

Es war der Laientheologe Philipp Melanchthon, der die >Confessio Augustana< (die
>CA<), die Bekenntnisschrift der Abtrünnigen, aufsetzte, die am 25. Juni vorgetragen wurde: in der Hoffnung auf »christliche Einigkeit und Liebe«. Doch dieser Wunsch erfüllte sich nicht, im Gegenteil. Trotz aller Versuche, die gemeinsamen Glaubensüberzeugungen (in 21 Artikeln) als >magnus consensus< in den Vordergrund zu stellen und die Divergenzen und Streitthemen (in sieben Artikeln) herab zu mildern, wurde die >CA< in Augsburg nicht einmal angenommen, im Gegenteil: sogar zurückgewiesen und durch die römische >Confutatio< (von Johannes Eck) sogar für widerlegt erklärt! … Dies jedoch sollte gravierende Folgen haben, bis hin zur Bildung des Schmalkaldischen Bundes 1531 gegen Kaiser und Papst, gedacht als Schutzbündnis (von Hessen, Kursachen, Lüneburg, Mansfeld und elf Reichsstädten) vor drohender Verfolgung – bis hin zu  kriegerischen Auseinandersetzungen – bis hinein in den Schmalkaldischen Krieg (1546-1547) – bis hinein in den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) …

Die protestantischen Stände erhoben die >CA< schließlich zur lutherischen Bekenntnisschrift, was 1537 im Konvent von Schmalkalden bestätigt und was im >Augsburger Religionsfrieden< von 1555 reichsrechtlich anerkannt wurde. Die >Confessio Augustana< wurde somit zur wichtigsten Bekenntnisschrift innerhalb des weltweiten Luthertums. »Die Menschen werden umsonst gerechtfertigt um Christi willen durch den Glauben, indem sie darauf vertrauen, daß sie um Christi willen in die Gnade aufgenommen und ihre Sünden vergeben werden« (CA IV) – und: »Der Glaube ergreift immer nur die Gnade und die Vergebung der Sünde; und weil durch den Glauben der Heilige Geist gegeben wird, darum wird auch das Herz befähigt, gute Werke zu tun« (CA XX).

CA VII: Von der Kirche
»Es wird auch gelehrt, daß allezeit eine heilige, christliche Kirche sein und bleiben muß, die die Versammlung aller Gläubigen ist, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden. Denn das genügt zur wahren Einheit der christlichen Kirche … Und es ist nicht zur wahren Einheit der christlichen Kirche nötig, daß überall die gleichen, von den Menschen eingesetzten Zeremonien eingehalten werden.«

Wie enttäuschend u. frustrierend waren für ihn die so genannten Religionsgespräche mit Vertretern der Römischen Kirche, wenn diese hartnäckig an ihren Positionen festhielten. Gegen das Römische Messopfer sprach sich Philippus mit aller Deutlichkeit aus, gegen den Zölibat, gegen die Hostienverehrung, gegen den Heiligenkult. »Wer zu den Heiligen betet, der beleidigt Gott«, betonte Melanchthon. Johannes Calvin schrieb: »Wer zu den Heiligen betet, der raubt Gott die Ehre, die IHM allein zusteht
WIKIPEDIA Messopfer

Vieles verband diese beiden Reformatoren miteinander: die Sorge um die Einheit der Kirche, die Ablehnung theologischer Spitzfindigkeiten, die Suche nach Lösungen im Abendmahlsstreit (wie also die Gegenwart Jesu Christi zu denken und zu glauben sei). Nicht um die Verwandlung von Brot und Wein in realiter Leib und Blut Christi ging es diesen beiden Reformatoren / nicht um den Glauben an die Substanzen von Brot und Wein, sondern entscheidend darum, dass der auferweckte Christus im Heiligen Geist gegenwärtig ist, wenn Menschen im Glauben zu Ihm Brot und Wein empfangen! Nicht die Frage nach dem Wie Seiner Gegenwart in Brot und Wein muss uns beschäftigen und lahm legen, sondern das Dass Seiner Gegenwart soll uns bestimmen!

»Die Geheimnisse der Gottheit sollten wir besser anbeten als zu ergründen versuchen«.

Philipp Melanchthon sorgte sich um die Kirche, um die Einheit der Kirche und versuchte zu vermitteln – nicht ohne Grund lässt sich in ihm ein wahrer Ökumeniker erkennen. Vieles machte ihm Sorgen, aber: »Die Sorgen treiben mich zum Gebet, und mit dem Gebet vertreibe ich meine Sorgen«, so lautete eine der Maximen Melanchthons. Er weiß und erfährt es: »So oft ich mit Ernst gebetet habe, bin ich gewiß erhört worden und habe mehr erlangt, als ich erbeten habe!«

Sein Lieblingsgebet lautet: »Christus, nichts bin ich, keinen anderen Trost kenne ich Armer, als daß Du Menschennatur angenommen hast. Stütze und leite mich in meiner Gebrechlichkeit, Christus! Laß mich ein Zweig sein an Deinem mächtigen Stamm! Dieser herrliche Bund sei mir immer vor Augen, denn einzig dieser Bund hat mir sicher erworben das Heil.«

Im Zusammenwirken mit dem Straßburger Reformator Martin Bucer gelingt schließlich in der Mahlfrage die Einigung mit den Oberdeutschen. In der >Wittenberger Konkordie< (1536)(der Luther zugestimmt hat!) ist formuliert, dass »Lelb und Blut Christi mit Brot und Wein wahrhaft und wesentlich zugegen sind, dargereicht und empfangen werden«. Melanchthon hatte später in der >Confessio Augustana Variata< (1540) in Eigenregie den Artikel 10, den Abendmahlsartikel, entsprechend abgeändert: danach schrieb er statt »in pane« (>im Brot<) nun »cum pane« (>mit dem Brot<}. Dieser Formulierung konnten die Oberdeutschen zustimmen, nicht jedoch die Schweizer – auch nicht konservative Lutheraner, die die >cum-pane<-Formel ablehnten und die auf der >Confessio Augustana lnvariata< beharrten – mit Erfolg, denn im Konkordienbuch von 1580 wurde die >Confessio Invariata< mit der Formel »in pane« festgeschrieben. Die >CA-Invariata< gilt bis heute für lutherische Kirchen als verbindliche Bekenntnisschrift, ausgenommen davon ist die Protestantische Kirche der Pfalz, die die >CA-Variata< als ihre Bekenntnisschrift ansieht.

Es braucht über vierhundert weitere Jahre, bis dass sich lutherische, reformierte und unierte Kirchen mit den Kirchen der Waldenser und der Böhmischen Brüder in der >Leuenberger Konkordie< (1973) in der wechselseitig anerkannten Kanzel – und Mahlgemeinschaft einigen und verbindlich erklären: »Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein …«, also »cum pane«.

Kurz vor seinem Tode hatte Melanchthon noch auf einen Zettel geschrieben: »Gründe,
warum man den Tod nicht fürchten braucht: >Du wirst erlöst werden von der Sünde und befreit von den Sorgen und von der Rabiatheit der Theologen. Du wirst ins Licht kommen, Gott schauen und den Sohn Gottes sehen. Du wirst die wunderbaren Geheimnisse erkennen, die du in diesem Leben nicht begreifen konntest … «.

Huldrych Zwingli (*1.01.1484, +11.10.1531): »Tut um Gottes willen etwas Tapferes!«
Reformation und Gegenreformation in der Schweiz

 Sich selbst nannte er >Huld-rych<: aus Dankbarkeit Gott gegenüber. Sein Nachname >twing< bedeutet: >umfriedetes Bauerngut<.

Das Wurstessen in der Fastenzeit am 1. Fastensonntag, dem 9. März 1522 im Hause des Buchdruckers Christoph Froschauer verteidigte Zwingli mit der Schrift »Vom Erkiesen und Fryheit der Spysen«. Daraufhin lud der Rat der Stadt auf 29. Januar 1523 zur (Ersten) Zürcher Disputation, zu der der >Lütpriester zum Großen Münster< 67 Artikel bzw. Schlussreden vortrug und darin die >Freiheit eines Christenmenschen< (Luther) betonte. Damit wurde die Reformation in Zürich ausgelöst. In Zwinglis erster reformatorischer Schrift ist zu lesen: »Wenn lhr« (gemeint ist der Konstanzer Bischof) »denn behaupten wollt, wir lehrten die evangelische Lehre nicht recht, so versucht das nicht mit Drohungen, Schmeicheleien, Hinterlist, Gewalt, sondern in offenem Kampf der HI. Schrift und in öffentlicher Versammlung.«

Zwingli hatte seine 67 Thesen eröffnet mit den Worten: »lch, Huldrych Zwingli, bekenne, dass ich diese angeführten Artikel und Meinungen in der löblichen Stadt Zürich gepredigt habe, auf Grund der heiligen Schrift, die >von Gott inspiriert< heisst, und ich anerbiete mich, gemäss der heiligen Schrift diese Artikel zu verteidigen und mich, falls ich die heilige Schrift nicht recht verstünde, eines Andern belehren zu lassen, doch nur aus der heiligen Schrift.« Am 14. Juli 1523 folgte seine Erläuterung:
»Ußlegen und Gründ der Schlußreden«
, vielleicht die bedeutendste Zwingli-Schrift.

Im September 1523 schlug Zwingli in seiner Eigenschaft als (kirchen) politischer Berater und Gutachter dem Rat der Stadt als obrigkeitlichem Kirchenregiment, als >corpus
christianum<
, im Zusammenwirken mit den Chorherren die Reform des Großmünsterstifts vor. Danach sollten die Armen und die Kranken versorgt werden, das Schulwesen gefördert werden, die Lehrer besser entlohnt werden, die Pfarrer besser ausgebildet werden, eine kleine theologische Fakultät eingerichtet sein, die sogenannte >Prophezey<, die im Juli 1525 eröffnet wurde (eine solche hatte der Lateinlehrer Heinrich Bullinger 1523 bereits im Kloster Kappel initiiert). Gemäß Ratsbeschluss wurde für Arme eine Suppenküche organisiert (der sogenannte >Mushafen<), wurden Zimmer in Klöstern hergerichtet, eine Armenordnung (einschließlich Bettel-Verbot) wurde aufgestellt, (1525) eine Ehegerichtsordnung erlassen (mit der Möglichkeit zur Ehescheidung und zur Wiederverheiratung), schließlich ein Sittengericht eingeführt. Damit entfielen die bisher üblichen bischöflichen Gerichte. 1528 verfügte der Rat, dass sich zweimal jährlich alle Pfarrer und Gemeindevertreter aus Stadt und Land zur wechselseitigen Aussprache unter der Leitung eines Bürgermeisters und des Ersten Pfarrers, des >Antistes<, trafen: damit war die später sogenannte >Synode< geboren, ein Kennzeichen reformierter Kirchen bis heute. In Folge der Zweiten Zürcher Disputation in den Tagen vom 26. bis zum 28. Oktober 1523 (mit über 900 Teilnehmern, an der ersten waren 600 beteiligt) wurde die Reformation in Zürich im Zusammenwirken mit
dem Rat der Stadt über einen längeren Prozess hinweg schrittweise eingeführt. Der Bischof war seiner Einflussmacht entledigt, der Magistrat übernahm an dessen Stelle nun auch die Leitung des Kirchwesens. Nicht ohne Grund trat Zwingli für behutsame Veränderungen in Güte ein: »Wer Ursach gebe zu Aufruhr« (1524). Altäre, Bilder, Heiligenstatuen, Kruzifixe, Orgeln wurden laut Verfügung des Rates »züchtiglich, ordentlich und ohne Aufruhr« entfernt – die Klöster wurden aufgehoben und in Zufluchtsorte für Arme und Waisen oder in Schulen umgewandelt – die Kirchenschätze wurden säkularisiert, die Zehntabgabe wurde gestrichen – die Messopfer- Gottesdienste wurden 1525 abgeschafft, dafür Predigtgottesdienste in der Landessprache eingeführt – metallene Abendmahlsgeräte wurden durch hölzerne Teller und Becher ersetzt, ungesäuertes Brot wurde gereicht. Zum >Nachtmahl< traf sich die ganze Gemeinde viermal im Jahr (zu Ostern, zu Pfingsten, zum Zürcher Kirchweihfest am 11. September und zu Weihnachten) zur »communio sub utraque specie« an gedeckten Tischen. Dabei war der Magister Zwingli alles andere als unmusikalisch oder gegen Musik eingestellt, spielte er doch mehrere Instrumente wie Laute, Harfe und Geige, pflegte Hausmusik und komponierte gar (siehe das >Pestlied<).

Wie Luther sprach sich Zwingli gegen Heiligenverehrung und gegen Heiligenfeste aus, gegen die Heilsmittlerschaft Marias, gegen Ablass, Firmung, letzte Ölung, Prozessionen, Fegefeuer, Zölibat – zudem gegen Beichte (mit abschließender Absolution durch den Priester), gegen Kerzen und Weihwasser, gegen jegliche besondere Amtstracht für die Prediger, gegen die >Murmelgesänge< der Mönche und Nonnen, gegen die Nottaufe (ungetauft gestorbene Kinder sind nicht verdammt), gegen den Reliquienkult, ebenso gegen das Pensions- und Söldnerwesen (gegen das >Reislaufen< seiner Landsleute, also dass sie als Söldner in vielen verschiedenen Ländern unter fremder Befehlsgewalt kämpften).

Der Rat der Stadt hatte die Kirchenleitung inne, übte die Sittenzucht aus und vollzog ggf. den Kirchenbann bzw. die Exkommunikation. Das Reislaufen wurde am 11. Januar 1522 generell verboten. Die Heiligenbilder sollten aus den Kirchen herausgeschafft werden, dafür aber im Gegenzug das Wort Gottes (!) in der Landessprache in die Kirchen hineingelangen. Der >Zürcher Reformation< schlossen sich in der Folgezeit die eidgenössischen Städte von St. Gallen, Schaffhausen, Bern (1528), Basel, Biel, Konstanz und Mühlhausen (Elsass) an. Diesem Verbund des >Christlichen Burgrechts< jedoch sollten die Innerschweizer-Orte Uri, Schwyz, Unterwaiden, Zug, Luzern, Freiburg und Solothurn als >Christliche Vereinigung< im Verbund mit Habsburg-Österreich gegenüberstehen. Gemäß 1. Kor. 14,26-33 wurde am 19. Juni 1525 in der Stadt an der Limmat eine Bibelschule eröffnet, die sogenannte >Prophezey< (die zur Grundlage der späteren Universität und aller reformierten Hochschulen in aller Welt werden sollte), zunächst (bezeichnenderweise) im Chor des Großmünsters (dort, wo vormals der Hochaltar seinen Ort hatte)(!), später dann in der »Helferei« (dem heutigen Gemeindehaus) in der Kirchgasse, in Zwinglis früherem Wohn- und Studierhaus. Dort entstand in Gemeinschaftsarbeit die >Zürcher Bibel<, die 1529 bereits in beiden Testamenten übersetzt worden war und die 1531 in Druck erschien in 688 Blättern mit 200 Illustrationen, nach dem Buchdrucker Christoph Froschauer auch >Froschauer-Blbel< genannt (1521 hatte Froschauer damit begonnen, auch Luther-Schriften zu drucken).

Zwingli verfocht die Kindertaufe und geriet dabei in Auseinandersetzungen mit den Wiedertäufern (Blaurock, Grebel, Manz) und mit dem Ingolstädter Professor Dr. Balthasar Hubmaier. Gegen deren Überzeugungen antwortete er mit fünf Schriften, darunter die Schriften: »Von dem Touff. Vom Widertouff. Und vom Kindertouff« (1525)* und zuletzt: »catabaptistarum strophas elenchus« (1527).

*Huldreich Zwingli in: »Von dem touff … « (1525): » … zwo ceremonien, das ist: zwey usserliche ding oder zeichen … : den touff und die dancksagung oder widergedächtnis … Mit dem einen zeichen hebt man uns an Gott verzeichnen; mit dem touff … ; mit dem andern sagen wir gott danck, das er uns durch synen sun erlößt hat, das ist mit dem nachtmahl des herren oder dancksagung.« Zwingli unterscheidet (wie Martin Bucer und wie späterhin Karl Barth 1943) zwischen der Wassertaufe (»ein usserlich zeichen«, das »nihil efficit«, vgl. seine Schrift von 1525: »De vera et falsa religione commentarius«, 766, 3) – und der Geisttaufe. »Gott wird gebeten, er möge dem Täufling >das liecht des gloubens in sin herzt geben, damit er sun yngelybt und mit imm in den tod vergraben werde, in imm ouch uferstande in eim nüwen läben, in dem er sin krütz, imm täglich nachvolgende, frölich trag, imm anhange mit warem glouben, styffer hoffnung und ynbrünstiger liebe.< «

Die Kontroverse mit dem Täufertum gipfelte am 17. Januar 1525 im Ratsmandat zur Säuglingstaufe (wer dem nicht folge, der solle ausziehen) und am 7. März 1526 in der Ratsentscheidung, wonach auf Erwachsenentaufe die Todesstrafe steht. Jakob Grebel wurde enthauptet, Felix Manz ertränkt, weitere Wiedertäufer wurden zu späterer Zeit hingerichtet. Erinnert sei an das Täufertum in Münster in Westfalen, daran, dass 1536 die Leichname von drei hingerichteten Täufern in drei großen Eisen-Käfigen ausgestellt am Turm der Lamberti-Kirche in die Höhe gezogen worden waren, zur Abschreckung für andere. Diese Käfige sind in der Stadt bis heute weithin sichtbar.

Neben Osnabrück wird Münster 1648 zur Stadt des Westfälischen Friedens, damit endet der Dreißigjährige Krieg. Nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 (der den Lutheranern die Religionsausübung im Sinne des »cuius regio eius religio« zubilligte) wurde diese 1648 nun auch den Reformierten zugestanden.

An Gründonnerstag 1525 wurde die Mahlfeier in Zürich erstmals nicht mehr im Stile des althergebrachten Hochamtes vor dem Hochaltar gefeiert, sondern im Gegensatz dazu als schlichte Gemeindefeier der getauften Gläubigen in sitzender Kommunion an mit weißen Leinentüchern gedeckten Holztischen gehalten. Es gab Holzschüsseln mit ungesäuertem Brot, Holzkannen und -becher, mit Wein gefüllt, alles ohne Prunk und Pracht, aber »suber und rein«. Dabei wurden Brot und Wein innerhalb der Mahl-Gemeinde vom einen zum anderen weitergereicht – Martin Bucer, Wolfgang Capito, Johannes Oekolampad begrüßten diese Praxis.

In seiner Schrift: »Action oder bruch des nachtmals, gedechtnus oder danksagung Christi« (1525) betont Huldrych Zwingli: Das Nachtmahl kann kein Opfer sein, sondern allein Erinnerung und Gedächtnis an Jesu einmalig erbrachtes Opfer damals am Kreuz von Golgatha, das nicht wiederholt werden kann und genauso wenig wiederholt werden muss, weil Christus ein-für-allemal (vgl. Hebr. 9,12.26-28; 10,12.14) genug für uns getan hat.

»Und so ist dieses Wiedergedächtnis eine Danksagung und ein Frohlocken dem allmächtigen Gott wegen der Guttat, die er uns durch seinen Sohn bewiesen hat, und welcher in diesem Fest, Mal oder Danksagung erscheint, sich bezeugt, daß er deren sei, die da glauben, daß sie mit dem Tod und Blut unseres Herren Jesus Christus erlöst sind.«

Während Martin Luther mit Vehemenz auf das >est< pocht (»hoc est corpus meum«) und sich damit für die meisten der Reformatoren ins Abseits stellt – heißt es für Zwingli: >significat<. Es kann nicht darum gehen, so Zwingli, Jesu Aussage: »Das ist mein Leib« bzw. »das ist mein Blut« wortwörtlich verstehen zu wollen, sondern im übertragenen Sinne darum, in den Zeichen, in den Symbolen, in den Elementen bzw. Substanzen das Gemeinte zu erkennen. Huldrych Zwingli kritisiert von daher die Ineinssetzung, die Identität von Brot und Leib wie von Wein und Blut Jesu – er könnte ebenso verweisen auf Jesu >Ich-bin-Worte< aus dem JohEv., wenn Jesus von Nazareth also gesagt hat: »Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel gekommen« (Joh. 6,51) – oder: »Ich bin der Weinstock, ihr sollt meine Reben sein« (Joh. 15,5), dann >bedeutet< dies einen symbolhaften Vergleich – oder wenn Jesus gesagt hat: »lch bin die Tür« (Joh. 10,9), so ist diese Aussage nicht wortwörtlich zu verstehen, sondern im symbolhaften Sinne, etwa: >Wie eine offene Tür bin ich für euch zu GOTT, dem Vater!<.

Huldrych Zwingli versteht die Mahlfeier (im Gegensatz zu Martin Luther) nicht als Gnadenmittel, nicht als Heilsmittel, sondern im Sinne der >manducatio spiritualis< (als >geistliche Speise<, als >geistliche Nießung<), im Sinne der Eucharistie, der Danksagung, als Lobopfer (Hebr.13,15)(dabei ist Christus der Altar, auf den wir unsere Lobopfer legen, so Calvin), im Sinne der Verpflichtung, als Bekenntnis wie als »ein gedächtnuß« (man bedenke dabei das ersttestamentliche Verständnis von >zachar<, vgl. das Verständnis von >Anamnesis<!) an Jesu Tod und Christi Auferweckung. Zwingli gründet seine Überzeugung auf Joh. 6,63 und kritisiert >das Fleischfressen< (was Luther dagegen in einem Brief an Andreas Bodenstein aus Karlstadt wie an Kaspar von Schwenckfeld am 14.04.1526 zurückweist) – auf Joh. 6,56 und 14,3 – auf Gen. 17,11 und Röm. 4,11- wie auch auf das Wort von den Kühen nach Gen 41,26: >die sieben schönen Kühe bedeuten sieben fette Jahre<.

Die Transsubstantiation nach römischer Überzeugung (Laterankonzil 1215) ist für Huldrych Zwingli unvorstellbar, ebenso die Konsubstantiation im lutherischen Sinne: >in, mit und unter Brot und Wein<. Eine sakramentale Realpräsenz Jesu Christi in wahrhaft Leib und Blut ist für Zwingli (wie für Calvin) ausgeschlossen, schließlich sitzt Christus zur Rechten Gottes im Reich der Himmel! Christus kann im Brot also gar nicht leibhaftig gegenwärtig sein, da er doch aufgefahren ist in den Himmel: »sitzend zur Rechten Gottes« – Zwingli widerspricht damit Luthers Überzeugung von der Ubiquität und Ubipräsenz des Leibes und Blutes Christi in allen Mahlfeiern an allen Orten weltweit und zeitgleich.

»Das Wort Gottes muss auf Widerstand stoßen, damit man seine Kraft ermisst. Es wird wahrhaftig so gewiss weiterlaufen wie der Rhein, den man wohl eine Zeit lang schwellen, aber nie gestellen kann. Du bist Gottes Werkzeug; er verlangt Deinen Dienst, nicht Dein Ausruhen. Die Wahrheit hat ein fröhlich Angesicht. Ein Christ sein, heisst nicht von Christus schwatzen, sondern leben wie er lebte.«

Zu den Leitlinien der Theologie Zwinglis gehören im Weiteren:

»lch wage auch von Heiden Entlehntes göttlich zu nennen. Die Wahrheit stammt immer vom heiligen Geist, einerlei, wo und durch wen sie beigebracht wlrd!«

Eines seiner Lieblingsworte lautet: »GOTT ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten!« (Joh.4,24).

Folgende Stichworte kennzeichnen Zwinglis theologisches Denken:

  • der Gnadenbund Gottes-
  • die Absage an die Lehre von der Erbsünde, nicht aber an die (Erb-)Schuld, für die der einzelne jeweils selbst die persönliche Verantwortung trägt-
  • die Einheit von Altem und Neuem Testament-
  • der Bund mit dem Volk Israel, der (neue) Bund in Jesus Christus –
  • der Akzent der Heiligung-
  • die Beschneidung einerseits, die Kindertaufe andererseits –
  • 6,44 – 6,63
  • Das Pessachmahl einerseits, das Nachtmahl andererseits-
  • die Königsherrschaft Jesu Christi-
  • die Kirche als >Ehefrau Christi< –
  • Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und Mensch –
    >solus Christus< (siehe >Barrner Theologische Erklärung< (1934),
    These I) – Er ist unser >Fürmünder< (Fürbitter) vor Gott-
  • der Pfarrer als >Wächter< (gemäß Ez. 3 und 33), auch gegenüber
    der Regierung: »dass der Hirt auch dem König, Fürsten oder
    Oberen nichts durchgehen lassen darf« – das Recht auf
    Widerstand (gemäß Apg. 5,29).*

* Zwingli schreibt in seiner Schrift »Der Hirt«: »dass der Hirt tun muss, was niemand wagt: Den Finger auf die wunden Stellen legen und Schlimmes verhüten, keinen schonen, vor Fürsten, Volk und Geistliche treten, sich weder durch Grösse, Einfluss und Zahl, noch durch irgendwelche Schreckmittel beeindrucken lassen, sofort zugegen sein, wenn Gott ruft, und nicht nachlassen, bis sie sich ändern.« (zitiert nach Matthias Krieg/Gabrielle Zangger-Derron, aaO., 59)

Zwingli betont das Bilderverbot (Ex. 20,4.5) in seiner Schrift »Amica Exegesis« (1527), Leo Jud folgt dem in seinem Katechismus (1534) – während Luther sowohl im Kleinen wie im Großen Katechismus (1529) das Bilderverbot gar nicht berücksichtigt, dafür jedoch das zehnte Gebot zweiteilt. Diese Praxis kann sich jedoch nun nicht auf das Judentum berufen, auch nicht auf die orthodoxen Kirchen.

Der Zweite Kappier Landfrieden 1531 spaltete die Eidgenossenschaft zum einen in römisch-katholische, zum anderen in protestantisch geprägte Regionen. Dennoch hielt und wuchs ein neues Bewusstsein für das, was >Eidgenossenschaft< konkret bedeutet, das heißt: man fand trotz verschiedener (konfessioneller) Unterschiede in >fründtschafft< neu zusammen. »24 Jahre vor dem Augsburger Religionsfrieden setzten die Schweizer damit den Grundsatz »cuius regio eius religio« in Kraft … Erstaunlich viele Gemeinden blieben evangelisch. Doch die >Parität< auf den Dörfern förderte die Gegenreformation« und damit die Rekatholisierung der Schweiz. Das durch die Niederlage (>die Katastrophe von Kappel<) geschwächte Zürich verband sich in der Folgezeit zunehmend mit dem Stadtstaat Genf und erlebte unter Zwinglis Nachfolger Heinrich Bullinger eine europaweit große reformatorische Blüte. Einflüsse Zwinglis sind insbesondere nachweisbar in den Niederlanden, in der Pfalz, in Ungarn, in Schottland und im anglikanischen Staatskirchentum – in Bullingers >Zweitem Helvetischen Bekenntnis< (1566), im >Heidelberger Katechismus< (1563), in der Theologie Karl Barths (*1886, +1968), in der >Barmer Theologischen Erklärung< (1934). »Sowohl historisch als auch theologisch ist Zwingli, nicht Calvin, der Urvater des reformierten Protestantismus. Nahezu alle nächsten Freunde und Mitstreiter Calvins – genannt seien die wichtigsten vier Briefpartner Farel, Viret, Bucer und Bullinger – sind wesentlich vom Zürcher Reformator geprägt.«

»Herr, nun selbst den Wagen halt‘ /
bald abseits geht sonst die Fahrt /
das brächt‘ Freud‘ dem Widerpart /
der dich veracht‘ so freventlich.

Gott, erhöh‘ dein‘s Namens Ehr‘ /
wehr‘ und straf‘ der Bösen Grimm /
weck‘ die Schaf‘ mit deiner Stimm‘ /
die dich liebhaben inniglich.

Hilf, daß alle Bitterkeit /
scheid‘, o Herr, und alte Treu /
wiederkehr‘ und werde neu /
daß wir ewig lobsingen dir.«

(Huldreich Zwingli, um 1529 – EG 242)


Der Reformator von Basel, Johannes Oekolampad (l.)
zusammen mit dem Zürcher Reformator Huldrych Zwingli.

Johannes Oekolampad (*1482, +24.11.1531): >Die Lampe im Hause des Herrn<

Auf Einladung des Landgrafen Philipp von Hessen, der zusammen mit den Straßburger Reformatoren alles daran gesetzt hatte, die auseinander geratenen Standpunkte in der Abendmahlsfrage zusammenzuführen und zu einen – kam es Anfang Oktober 1529 zum >Marburger Religionsgespräch<. Aus Wittenberg waren Martin Luther und Philipp Melanchthon angereist, aus der Schweiz Huldrych Zwingli und Joannes Oekolampad, aus Straßburg Martin Bucer und Caspar Hedio, dazu die Oberdeutschen Andreas Osiander und Stephanus Agricola.


Die Marburger Religionsgespräche 1529 zwischen
Luther und Zwingli brachten wegen Differenzen in
der Abendmahlslehre keine Einigung zwischen
Reformierten und Lutheranern

Oekolampad argumentierte: »Ich will nicht aus der Vernunft oder aus der Geometrie heraus reden, sondern, weil ich die Mitte des Glaubens im Auge habe, rede ich von der Mitte des Glaubens her. Christus ist auferstanden – also kann er nicht im Brot sein. Der göttlichen Macht widerspreche ich nicht … Man muß vom fleischlichen Essen zum geistlichen Genießen weitergehen. Unsere Meinung ist weder grundlos noch gottlos; sie ruht vielmehr auf dem Glauben und auf der Schrift. Es gibt in der Heiligen Schrift hie und da figürliche Redewendungen, bei denen die Worte etwas anderes bedeuten als der Wortlaut. So ist es durchaus möglich, daß auch in diesem Wort >Das ist mein Leib< ein Gleichnis steckt
ähnlich wie in jenen Worten: >Johannes ist Elias< (Matth 11,14); >Der Fels war Christus< (1 Kor 10,4); >Ich bin der wahre Weinstock< (Joh 15,1); >Der Same ist das Wort< (Luk 8,11).«

Es gehe um Metaphern, um Bildworte, vgl. Fels, Weinstock, Tür udgl., also im übertragenen Sinne um geistliche Auslegung, nicht um wort-wörtliche – so äußerte sich Joannes Oekolampadius in dieser heftigen Kontroverse mit Martin Luther und berief sich dabei gerade auch auf Texte der Kirchenväter. Als sich jedoch keine Einigung abzeichnete, schlug Oekolampad vor, die Disputation abzubrechen. Darauf erwiderte Martin Luther: »Bittet Gott, daß ihr zur Einsicht kommt« – daraufhin entgegnete Johannes Oekolampad: »Bittet auch ihr, ihr habt es ebenso nötig.« Auf Wunsch des Landgrafen verfasste Luther schlussendlich die >Marburger Artikel<, wobei man sich im fünfzehnten und damit letzten nicht einigen konnte. In der Frage der Gegenwart Christi in der Mahlfeier blieben die Differenzen, die Schweizer konnten der substanzhaften Gegenwart Christi in seinem Leib und Blut nicht zustimmen. Festgehalten wurde also auch, was die Marburger Reformatoren voneinander trennte.

Martin Luther formuliert als seine Überzeugung: »lsset man ihn geistlich durchs Wort, so bleibt er geistlich in uns in der Seele. Isset man ihn leiblich, so bleibt er leiblich in uns und wir in ihm. Wie man ihn isset, so bleibt er in uns und wir in ihm. Denn er wird nicht verdaut noch verwandelt, sondern verwandelt ohne Unterlaß uns, die Seele in Gerechtigkeit, den Leib in Unsterblichkeit.« (WA 23, 255, 24ff). An anderer Stelle jedoch betont Luther: »Sein Fleisch ist nicht aus Fleisch noch fleischlich, sondern geistlich. Darumb kann es nicht verzehret, verdäuet, verwandelt werden, denn es ist unvergänglich wie alles, was aus dem Geist ist, und ist eine Speise gar und ganz ander Art denn die vergängliche Speise. Vergängliche Speise verwandelt sich in den Leib, der sie isset. Diese Speise wiederumb wandelt den, der sie isset, in sich und macht ihn ihr selbs gleich, geistlich, lebendig und ewig, wie sie ist, als er sagt: >Dies ist das Brot vom Himmel, das der Welt Leben gibt< (Joh: 6,33).« (WA23, 145,16ff.26ff.). Das heißt doch, dass auch Luther von der geistlichen Wirkung des Mahls spricht – hätte es also diesbezüglich nicht doch eine Verständigung in der Mahlfrage geben können, ja geben müssen? Das Wörtchen >est<, auf das sich Luther unwiderruflich fixierte, stand schier unüberwindbar mitten im Wege zu möglicher Verständigung.

Oekolampad äußerte in einer Predigt: »So strengen wir uns im Glauben an, nicht bloß das Leben Christi in uns zu haben. Du sollst darauf auch nicht sagen: Aber Christus ist ein Riese, wir sind bloß Zwerge. Glaube nur, so wirst du selbst ein Riese sein zum Erstaunen, und der Glaube, nein, der Geist Christi, wird durch die Liebe in dir, seinem Rüstzeug, sehr Großes wirken.«

»Erst 1528 hatte Oekolampad sich mit der jungen Witwe Wibrandis Rosenblatt aus Säckingen vermählt, die dann noch die Ehefrau seines Freundes Wolfgang Capito und zuletzt Martin Bucers wurde. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, von denen nur eine Tochter das Erwachsenenalter erreichte.« Nachdem Huldrych Zwingli am 11. Oktober 1531 in der Schlacht bei Kappel gefallen war, sollte Johannes Oekolampad dessen Nachfolger am Großmünster in Zürich werden. Doch der Basler Reformator lehnte ab, zu sehr schmerzte ihn der gewaltsame Tod seines Freundes.

Martin Bucer (*11.11.1491, +28.02.1551):
»Der wahre Glaube gewiß die wahre Liebe bringt«

1522 heiratete er die frühere Nonne Elisabeth Silbereisen (aus dem Kloster Lobenfeld im Kraichgau)(+1541), die ihm dreizehn Kinder schenkte, die jedoch alle bereits frühzeitig verstarben. Der Bischof von Speyer verhängte über ihn 1523 den Bann. Bucer musste ein weiteres Mal fliehen und erhielt im Mai 1523 in der freien Reichsstadt Straßburg Asyl.

Für Bucer stand fest: »Daß die Menschen nicht für sich geboren werden, sondern für Gott, den Nächsten und die Kirche.«

Weil Gott »uns und alle Kreaturen dazu geschaffen hat, daß seine Güte bekannt würde … , so können und sollen wir, seine Kreaturen, ihm in diesem Regiment seiner Güte dienstbar sein, nämlich so, daß eine Kreatur mit dem, wozu Gott sie gemacht und was er ihr gegeben hat, allen anderen zum Guten diene, damit dieses sein Lob aufgehe und allenthalben erscheine.«

»Obwohl .. der Dienst weltlicher Obrigkeit, den sie der Gemeinde schuldig ist, nicht darin besteht, daß sie das göttliche Wort und Gesetz predigt, gebührt es ihr dennoch, nach göttlichem Gesetz zu regieren und nach ihrem Vermögen dem göttlichen Wort zum Aufblühen zu verhelfen.«

»Denn wo Gott nicht erkannt und nicht vor allem sein Gehorsam aufgerichtet wird,
ist der Friede kein Friede, das Recht kein Recht, und alles bringt Schaden, was da nützlich sein sollte.« (Martinus Butzer, Weissenburger Predigt 1523)

Wie Luther, Melanchthon, Zwingli, Calvin kritisierte Martin Bucer den römischen Messopfer-Gottesdienst (der 1529 in Straßburg abgeschafft wurde), Ablasshandel, Aberglaube und Hexenwahn, Papsttum, Mönchtum, Zölibat. Bucer schuf eine neue Gottesdienstform (1524)(mit der Predigt in der Mitte des Gottesdienstes, mit Gebet und Gemeindegesang, aber ohne Altar und Orgel, ohne Messgewänder und Bilderschmuck) und eine neue Kirchenordnung (1531)(mit der Einrichtung von >Kirchspielpflegern<, von >Examinatoren< und von Pfarrkonventen). Darin jedoch folgte ihm der Rat der Stadt nicht: mit der Einrichtung vom Ältesten- und vom Diakonenamt, mit der Durchführung einer strengen Kirchenzucht. Allerdings fand Martin Bucer mit diesen Vorstellungen in der Landgrafschaft Hessen 1538 Gehör, dort gelang es ihm auch, seine Vorstellungen von Konfirmandenunterreicht und Konfirmation zu verwirklichen: mit der >Ziegenhainer Zuchtordnung< (1539). Martin Bucer gilt danach als >Vater der Konfirmation<. Bevor nun konfirmiert wurde, wurden die Konfirmanden befragt und die Gemeindeglieder vermahnt: »Da soll der Pfarrer diese Kinder über die wichtigsten Stücke des christlichen Glaubens befragen. Und nachdem die Kinder darauf geantwortet, soll der Pfarrer die Gemeinde vermahnen, den Herrn für diese Kinder um Beständigkeit und Mehrung des Heiligen Geistes zu bitten und solches Gebet mit einem Kollektengebet beschliessen. Nach dem allen soll dann der Pfarrer diesen Kindern die Hände auflegen und sie so im Namen des Herrn konfirmieren und zu christlicher Gemeinschaft bestätigen, sie darauf auch zum Tisch des Herrn gehen heissen … « (>Ziegenhainer Zuchtordnung<). Bucers Konfirmationsformel für diese >sakramentale Zeremonie< lautet:

»Nehmt hin den Heiligen Geist,
Schutz und Schirm vor allem Argen,
Stärke und Hilfe zu allem Guten … «

Von reformatorischem Gedankengut Martin Luthers wie Huldrych Zwinglis durchdrungen, vertrat Martin Bucer die Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben, die Heilsmittlerschaft Jesu Christi (die er damit der Römischen Kirche bestritt). Deutlich betont er die Wirkkraft des Heiligen Geistes, die >praxis pietatis<, die sich in der Liebe erweist. Für die Unterweisung der Kinder in Schule und Katechismusunterricht setzte er sich ein. Zusammen mit dem Humanisten Johannes Sturm gründete er 1538 >die Hohe Schule<, das Straßburger Gymnasium. Er schrieb Kommentare zu Büchern des Alten wie des Neuen
Testaments, er schrieb Katechismen, er schrieb Traktate wie: »Martin Butzer an ein christlichen Rath und Gemeyn der statt Weissenburg. Summary seiner Predigt daselbst gethon« (1523) – »daß keiner sich selbst leben soll« (1523) – »Fürbereytung zum Concilio« (1533) – »Von der wahren Seelsorge« (1538) – »Von den Kirchen Mengel und Fähl« (1546).

»Nicht um Volkskirche oder Bekenntniskirche ging es ihm, sondern um Volkskirche und Bekenntniskirche zugleich!« >Christliche Gemeinschaften< im Sinne von Hauskreisen zu initiieren, daran lag ihm. Eine >zweite Reformation< schwebte ihm vor, in der sich Kirche (mit wahrhaft entschiedenen Christen) innerhalb der Großkirche (als der christlichen Gesellschaft) bildet, ein Ansatz, den ein anderer Elsässer: nämlich Philipp Jakob Spener im
Jahre 1691 für den deutschen Pietismus neu entdecken sollte.

Der Straßburger Reformator kümmerte sich um Wiedertäufer (dabei rechtfertigte er ihnen gegenüber die Kindertaufe) und um Schwärmer, die in der Stadt Zuflucht suchten. Er setzte sich ein für die Armenpflege, für die Ausbildung der Pfarrer, für die Einführung der Reformation an anderen Orten, so im Elsass wie in der Grafschaft Hanau-Lichtenberg, in Hessen, in der Pfalz, im Rheinland und in Württemberg. Brieflich stand er in Kontakt mit den Böhmischen Brüdern, mit Protestanten in Frankreich, in England, Italien und Polen. Martin Bucer äußerte:

»Wer Glaube hat und Liebe und ein reines Gewissen, der ist ein rechter Christ nach der
Lehre der Schrift. Alle Gläubigen können und sollen alle Ding, so den Glauben und Gottesdienst belangen, erörtern und urtheilen. Wir werfen Luther nicht für unseren Meister auf, denn wir können in keines andern Meisters Lehre schwören als des einigen Christus … Für unsern eigenen, persönlichen Glauben müssen wir einst antworten, und nicht für den Glauben Luthers oder sonst noch so angesehenen Lehrers … Den Geist Gottes, um die Heilige Schrift zu verstehn, so weit es zum Glauben und zur Seligkeit nothwendig ist, haben alle Menschen, die Gott mit Ernst darum anflehen. Wir sind Gott- und Christusgläubig, nicht Kirchgläubig.«

Gegenüber Bucer urteilte Luther im Marburger Religionsgespräch 1529: »lch bin euer Herr nicht, euer Richter nicht, euer Lehrer auch nicht, so reimet sich unser Geist und Euer Geist nichts zusammen. Sondern ist offenbar, daß wir nicht einerlei Geist haben. Denn das kann nicht einerlei Geist sein, da man an einem Ort die Wort Christi einfältiglich glaubt und am andern denselben Glauben tadelt, widerficht, lügstraft und mit allerlei freveln Lästerworten antastet. Darumb, wie ich gesagt hab, befehlen wir euch dem Urteil Gottes. Lehret,
wie ihr‘s vor Gott wöllt verantwurten.«

Weil er sich der >Confessio Augustana< nicht anschließen konnte / weil er Luthers Überzeugung von der leibhaftigen Realpräsenz Jesu Christi in Leib und Blut nicht folgen konnte – verfasste Martin Bucer zusammen mit Wolfgang Capito (*1478, +1541) die >Confessio Tetrapolitana< der vier oberdeutschen Städte Straßburg, Lindau, Konstanz und Memmingen für den Reichstag zu Augsburg 1530.

In den Jahren 1542/1543, nachdem er vom Kölner Erzbischof dazu beauftragt war, sollte Martin Bucer die Reformation im Erzbistum Köln vorbereiten, doch der Versuch misslang. Von Bonn aus kehrte er nach Straßburg zurück, musste die Stadt jedoch nach der Kapitulation Straßburgs im Schmalkaldener Krieg 1547 im Zuge der Rekatholisierung verlassen. Der Straßburger Reformator floh als kranker Mann im April 1549 (zusammen mit seinem Akademie-Kollegen Prof. Paul Fagius, + im November 1549) nach England, hielt als >königlicher Lektor der Heiligen Schrift< Vorlesungen in Cambridge und arbeitete mit an der Revision des >Comrnon Book of Prayer<. Im September 1549 bereits war ihm die Ehrendoktorwürde in Theologie verliehen worden. In Cambridge verstarb Martin Bucer am 28. Februar 1551, 59 Jahre alt – dort auch wurde >der Fürst der Theologen< am 3. März in der Great St. Mary-Church beigesetzt. Sein letztes Werk (das er König Edward VI. widmete) trägt den für ihn wohl bezeichnenden Titel: »De regno Christi«.

»Bei alledem ist nicht zu vergessen, welche Tragik über seinem Wirken liegt. Sein Ziel, in Straßburg mittels der Kirchenzucht eine christliche Stadt zu formen, ist gescheitert; ebenso die Vereinigung zwischen Luther und Zwingli … ; außerdem der Ausgleich, den er zwischen der reformatorischen Bewegung und der römischen Kirche anstrebte. Es mußte damals scheitern, weil für die großen Pläne und Zielsetzungen, die er verfolgte, die Zeit noch nicht reif war.« (Reinhold Friedrich). Innerhalb der vorübergehenden Rekatholisierung Englands in der Ära von Königin Mary I. Tudor (die um die 300 Protestanten hinrichten ließ) wurden Martin Bucer und Paul Fagius am 6. Februar 1557 exhumiert und ihre Gebeine auf dem Marktplatz von Cambridge verbrannt, ebenso ihre Bücher. – Drei Jahre danach versuchte Königin Elizabeth I. deren Rehabilitierung, sie ließ das Grabmal Bucers im Jahre 1560 neu aufrichten.

Butzers Weißenburger Predigt von 1523 endete mit den Worten:

»Darum sollen wir Gott mit allem Ernst bitten, daß er uns in dieser gefährlichen Zeit, in welcher der Glaube untergegangen und die Liebe leider erloschen ist aufgrund dessen, daß das göttliche Wort nicht getreulich und fleißig gepredigt worden ist, den Regen seines lauteren göttlichen Wortes schicke, Gnade gebe, diese anzunehmen, und bekehre oder mache sonst ein Ende mit denen, die dem so unsinniglich widerstreben. Amen.«


Johannes Brenz (1499–1570) hatte schon früh
Martin Luther kennengelernt und war von seinen
Lehren begeistert. Er trieb die Reformation in
Schwaben voran

Johannes Brenz (*24.06.1499, +11.09.1570): »Das Wunder des Wortes«

»Das Mahl des Herrn hat nicht nur das Brot als Zeichen der Gemeinschaft, sondern auch das Wort … Wenn er sagt: Mein Leib wird für euch gegeben, mein Blut für euch vergossen, schließt er dann nicht Leib und Blut in dieses Wort ein? … Das ganze Wunder ist nämlich das Wunder des Wortes, durch das Leib und Blut in Brot und Wein ausgeteilt werden, nicht als Brot und Wein, sondern weil sie das Wort haben: Das ist Leib, das ist Blut … Wir holen Christus nicht zeitweilig von der Rechten des Vaters, sondern empfangen mit tiefster Dankbarkeit des Herzens die Gabe des Leibes und Blutes, die dem Wort anvertraut und darin bewahrt ist und durch das Wort zum Brot hinzukommt.«

Zwingli antwortete in seiner Schrift »Amica exegesis« (1527) an Luther, daran heißt es an Brenz u.a. gewandt: »Sie irren vollständig, wenn sie meinen, daß durch das Wort die Sache selbst oder der Glaube an die Sache gegeben wird … Denn auch nach dem Hören des Wortes geht niemand als Glaubender davon, wenn er nicht gezogen wird durch den Hauch des Geistes.«

Es kam zur Kontroverse zwischen Luther und den Wittenbergern einerseits und Zwingli und Oekolampad andererseits – beim >Marburger Religionsgespräch< 1529 (zu dem Landgraf Philipp von Hessen eingeladen hatte) war auch Johannes Brenz zugegen. In der Zeit 1526/27 wurde die Reformation in Hall und in den umliegenden Landen Schritt für Schritt realisiert. Joannes Brentius schrieb seinen ersten Katechismus unter dem Titel: »Fragstuck des Christenlichen glaubens für die Jugendt zuo Schwebischen Hall« – in Form eines
>Catechismus minor< für Kinder und Jugendliche und in Form eines >Catechismus maior< für Erwachsene / seinen zweiten im Jahre 1535. Darin bezeichnet er die Taufe als »göttlich Wortzeichen«. Gerade dieser Katechismus erzielte über den südwestdeutschen Raum hinaus eine große Verbreitung, so auch in Frankreich, in Italien, in Siebenbürgen und in Polen.

Die erste Haller Kirchenordnung von 1526/27 trägt den Titel: »So sein allein zwey Ding und wesentlich Stuck gotlichs Dienst einem igklichen Cristen notig, nemlich Glauben und Lieben.«

Wie in Wittenberg üblich, werden auch in Württemberg Oblaten gereicht (um zu verhindern, dass etwas vom Brot gleich Leib Christi auf den Boden fällt?). Luthers Überzeugung der Realpräsenz von Leib und Blut Christi in Brot und Wein wird ebenso vertreten wie Luthers Lehre von der Ubiquität bzw. von der Omnipräsenz des Leibes und Blutes Christi. Darin unterscheiden sich die Württemberger insbesondere von den reformierten Eidgenossen, darin unterscheidet sich Johannes Brenz nun auch von seinem Lehrer Johannes Oekolampad (in der Auslegung von 1. Kor. 10,4 hatten sich beide auseinanderdividiert).

Auch das >Stuttgarter Bekenntnis< von 1559 trägt die Handschrift von Johannes Brenz. Darin ist formuliert: »Derhalben, so halten und glauben wir nicht, das die Menschlich Natur in Christo durch diese Himmelfahrt außgedenet oder seine Glider auff ein grobe Fleischliche weiß ausgespannen, sonder wir erklaren hiemit die Majestet unnd Herrlicheit des Menschen Christi, wolcher, zu der Gerechten Gottes gesetzt, nicht allein mit seiner Gottheit alles erfüllet, sonder auch der Mensch Christus erfüllet alles auff ein Himmelische weiß, wolche der vernunfft des
Menschen unerforschlich ist.«

Johannes a Lasco (*1499, +8.01.1560):
»eine Art von einträchtiger Verschiedenheit«

»lch war einst ein angesehener Pharisäer, mit vielen Titeln und Würden ausgeschmückt, mit vielen Pfründen beladen, jetzt aber, nachdem ich alles aus freien Stücken durch die Gnade Gottes dahinten gelassen, nachdem ich mein Vaterland und meine Freunde drangegeben, weil ich sah, daß ich in ihrer Mitte nicht in Christi Sinn und Geist leben könne, jetzt bin ich in der Fremde nur ein armer Knecht meines für mich gekreuzigten Herrn Jesus Christus geworden.«

Im Jahre 1544 gründete er den sogenannten >Coetus<, die wöchentliche Versammlung für alle lutherischen wie reformierten Prediger in Ostfriesland, wohlgemerkt auf dem Hintergrund des Marburger Religionsgesprächs zwischen Luther und Zwingli (1529) – wobei a Lasco auf die vierzehn Artikel abhob, in denen sich alle damals in Marburg Beteiligten verständigt hatten und Einigkeit erzielt hatten. Weil nun die Übereinstimmungen größer seien als die Unterschiede (>allein< in Art. 15, in der Frage nach dem Wie der Realpräsenz Jesu Christi in der Mahlfeier, gingen die Überzeugungen auseinander) – »könne man beisammen bleiben und habe in der Differenz die Aufgabe, gemeinsam an deren Überwindung zu arbeiten.«

Johannes a Lasco formulierte die >moderatio doctrinae<, um damit eine Einigung zu erreichen – der Erfolg jedoch blieb aus. Zu tief saßen die Glaubensunterschiede zwischen den Vertretern der Lutheraner und denen der Reformierten, gerade im Verständnis des Mahls. Der >Coetus< allerdings hatte weiterhin Bestand, wenn auch nun allein als Zusammenkunft der reformierten Prediger, dies gilt übrigens bis heute.

»In strittigen Fragen mag jeder bei seiner Meinung bleiben. Ich strebe auch nicht die gleiche Form der Zeremonien an. Viel lieber möchte ich eine Art von einträchtiger
Verschiedenheit beibehalten wissen. Religion besteht im Eifer und Frommsein.«

A closer look at Heinrich Bullinger, Theodore Beza,
Thomas Cranmer, William Perkins and Conrad Grebel

BULLINGER, HEINRICH (1504-1575)
Vermanung an alle Diener des worts Gottes

Heinrich Bullinger (*18.07.1504, +17.09.1575):
»Von dem einigen und ewigen Testament oder Bund Gottes«

Heinrich Bullinger trat in die Fußstapfen Zwinglis, agierte im politischen Bereich allerdings zurückhaltender als sein Vorgänger, pflegte eher die Diplomatie, prägte die weitere Entwicklung der Reformation durch seine über 7.000 Predigten und durch seine vermittelnde Art, die Synode im Stadtstaat Zürich zu leiten: über vierundvierzig Jahre hinweg als Vorsteher der Zürcher reformierten Kirche. Heinrich Bullinger »gelang es, die Stellung der Zürcher Kirche nach dem Tode Zwinglis nicht nur innerhalb der Eidgenossenschaft, sondern im reformierten Protestantismus insgesamt zu festigen und auszubauen. So avancierte er neben dem Genfer Reformator Johannes Calvin zum Lehrer und Ratgeber der reformierten Kirchen Europas.«

Zu behaupten, die Zürcher Kirche in ihrer Bedeutung sei von Genf nach dem Tode Zwinglis >in den Schatten< gestellt worden, wird der Sache nicht gerecht – genauso wenig, zu behaupten, der Zürcher Kirchenvorsteher stehe (ganz) im Schatten Calvins. Zudem standen zwei verschiedene Kirchenmodelle im Raum: das staatskirchliche Zürichs wie das presbyterial-synodale Genfs. Dabei überließ es Bullinger den jeweiligen Kirchen und Obrigkeiten, welchem Kirchenmodell sie jeweils folgen wollten.

Heinrich Bullinger organisierte die >Prophezey<, erstellte eine Schulordnung (1532) und verfasste (ähnlich wie Calvin) Kommentare zu allen Büchern des Neuen Testaments und zu fast allen des Alten Testaments. In seiner >Studienanleitung für Studenten< (1528) heißt es: »Der Gott des Himmels, jener allmächtige Gott, hat mit dem Menschengeschlecht auf ewig ein Testament, einen Vertrag oder ein Bündnis abgeschlossen … Zunächst bindet sich Gott selber uns gegenüber, verspricht und zeigt an, wer und welcherart er uns gegenüber sein wolle. Danach bestimmt er, was er von uns verlangt … Er verspricht aber, unser Gott zu sein … er verheisst, er werde den ganzen Schatz seiner Güte überreichlich über uns ausschütten … Was nun jedoch uns angeht, so sollen wir dieses Bündnis gänzlich einhalten, Gott uneingeschränkt die Treue halten, ihm allein anhangen, nach Rechtschaffenheit trachten, nach Gottes Wink und Willen leben.«

Bullingers Verhandlungsgeschick bewegte den Rat 1532 zu einer beachtenswerten Erklärung: Der Rat »lasse das Vergangene ruhen. Sie« (die Pfarrer) »sollen biblisch und frei predigen. Haben sie eine Beschwerde an die Obrigkeit, so sollen sie dieselbe dem Rat vortragen; sie werden unverzüglich angehört. Würde der Sache dann nicht abgeholfen, dürfen sie auf der Kanzel davon reden. Mit dieser Institution des >Fürtrags< fanden Wächteramt und Predigtfreiheit eine konkrete Form, die das eigentümliche Zusammenwirken von Kirche und Staat in der Schweiz bis heute prägt. Als Zeichen der Festigung wirkt Zürichs Kirchenordnung vom 22. Oktober 1532. Sie regelt Examina, Pfarramt, Gottesdienste, Kinderlehre und Synode … Die Ordnung blieb 300 Jahre fast unverändert.« Diese >Praedikanten und Synodalordnung< stammt aus der Feder Heinrich Bullingers. 1536 setzte er zusammen mit Leo Jud, mit Oswald Myconius und mit Johann Jakob Grynäus die >Confessio Helvetica prior< auf, die über Zürich hinausgehend von Bern, Basel, Schaffhausen, St. Gallen, Mühlhausen (im Elsass) und Biel gemeinsam verantwortet wurde. 1549 gelang nach jahrelangem Bemühen im >Consensus Tigurinus< (mit 26 Artikeln) die Einigung in der Mahlfrage mit Johannes Calvin. In diesem Konsensus grenzen sich Zürich und Genf klar ab sowohl von der römischen Transsubstantiation (im Konzil von Trient bestätigt) als auch von Luthers Überzeugung der Konsubstantiation (auch von der >manducatio impiorum< und von der Ubiquität des Leibes und Blutes Christi) und betonen das Wirken des Heiligen Geistes in der Mahlfeier. Auch die bis dahin vor allem in Zürich propagierte Auffassung der rein äußerlichen Zeichen von Brot und Wein wird nun relativiert, ebenso das Verständnis der Mahlfeier als bloßer Bekenntnisakt. Die Sakramente sind Werkzeuge des Heiligen Geistes. Im siebten Artikel ist formuliert: »Dle Zwecke der Sakramente sind, dass sie Kennzeichen des Bekenntnisses sind, doch der vornehmliche Zweck ist, dass Gott uns durch sie seine Gnade bezeugt, vergegenwärtigt und besiegelt … , damit der Glaube mehr gestärkt wird und dass das aus Gottes Mund Verkündigte gleichsam durch Siegel bekräftigt wird.« (vgl. >Heidelberger Katechismus< (1563), 65.66.67.73.78.79). »Art. 20-26 sprechen die Abgrenzungen aus, an denen besonders den Zürchern lag: gegen die Lehre eines leiblichen Enthaltenseins Christi in den Elementen (21), gegen eine buchstäbliche Deutung von >dies ist mein Leib< (22), gegen eine Vermischung von Christus und uns (23), gegen die Transsubstantiation (die Umwandlung der Substanz von Brot und Wein in Leib und Blut Christi)(24), gegen eine Ubiquität (Allgegenwart) des Leibes Christi (25) und gegen die Anbetung der Elemente (26).« So wurde der >Consensus< zur Geburtsurkunde des reformierten Protestantismus. Calvin hatte 1544 an Bullinger geschrieben: »Oft habe ich mir wohl gesagt: und wenn Luther mich einen Teufel nennte, so würde ich ihm die Ehre doch antun, in ihm einen ausgezeichneten Knecht Gottes zu erkennen, der freilich neben den glänzenden Tugenden auch an großen Fehlern leidet.«

Nicht übergangen werden sollen Luthers Äußerungen in seinen Judenschriften von 1543, auf die Heinrich Bullinger im Dezember 1543 per Brief höchst-kritisch reagierte: »Ich werde nicht mit wenigen Worten aufgezählt haben das Widersinnige, Falsche und Verdrehte, das sich in dieser Ansicht Luthers zeigt … Ja, bald wird nicht von >Hebräischer Wahrheit<, sondern von >jüdischem Wahn< die Rede sein. So weit ist es nämlich mit dem maßlosen Charakter dieses Menschen dadurch gekommen, dass alle Amtskollegen und Diener der Kirchen selbst jede beliebige Schrift« (gemeint: Luthers) »als Orakel anbeten … Wahrhaftig muss aufgrund des bisher Vorgefallenen befürchtet werden, dass dieser Mensch noch einmal großes Unglück über die Kirche bringen wird.« Dabei sprach sich (auch) Heinrich Bullinger dafür aus, dass es besser sei, Juden in einem christlichen Gemeinwesen nicht aufzunehmen, (im Gegensatz etwa zu Martin Butzer) jedoch nicht dafür, Juden zu drangsalieren oder gar zu vertreiben. Bullinger kam »zu dem Urteil, dass die Obrigkeit guten Gewissens die Juden freiwillig nicht in die Gemeinschaft des ihr anvertrauten Volkes aufnehmen kann.«

Nach dem Tod von König Heinrich VIII. 1547 flohen viele Protestanten aus England und fanden u.a. Aufnahme in Zürich. Als diese Glaubensflüchtlinge in ihr Heimatland zurückkehren konnten, führten sie Bullingers Schriften mit sich. Über 120 theologische Werke tragen Bullingers Namen – genannt seien: »Von dem einigen und ewigen Testament oder Bund Gottes« (1534) – »Der alte Glaube« (1537) – »De Testamento seu foedere Dei unico« (1538) – »Zürcher Bekenntnis« (1545) -»Der Wiedertäufer Ursprung« (1560) – eine Reformationsgeschichte (1567, eine Zürcher Geschichte (1574) – und nicht zuletzt Handbücher zur Seelsorge am Krankenbett (1535) und zu Ehefragen (1540). In der »Anleitung, wie die wegen des Evangeliums Verfolgten antworten sollen« (1559) heißt es: »Woran kann die wahre christliche Kirche erkannt werden? Vornehmlich an dem wahren Glauben und reinen Worte Gottes, an der Liebe und der Unschuld oder Besserung des Lebens und an dem beständigen und geduldigen Anrufen des Namens Gottes.«
1561 gelang dem Antistes die >Confessio Helvetica Posterior<, das >Zweite Helvetische Bekenntnis<, zunächst als eigenes Bekenntnis für sich selbst  formuliert, 1566 dann auf dessen Wunsch hin an Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz gerichtet, um diesem beizu- stehen in der Rechtfertigung reformierten Glaubens vor dem Reichstag zu Augsburg 1566: als Apologie für den >Heidelberger Katechismus< (1563). Auch wenn dieses Dokument innerhalb des Reichstages nicht zum Zuge kam, so lässt es sich als Gegenstück verstehen zu den Beschlüssen des Trienter Konzils (1545-1563). Dieses >Zweite Bekenntnis< wurde einerseits zur gemeinsamen Bekenntnisgrundlage innerhalb der Schweizer Kirchen und andererseits zur einflussreichsten reformierten Bekenntnisschrift weltweit neben dem >Heidelberger Katechismus<. Bullinger spricht sich in dieser >Confessio< (in der Nachfolge Zwinglis) gegen die Bilderverehrung aus / gegen den Reliquienkult / gegen Ablasshandel, Ohrenbeichte und priesterliche Absolution / gegen Mönchtum und Papstamt / gegen die Wiedertäufer – für die Vorsehung Gottes / für den einzigen Mittler Jesus Christus / für die Prädestination (»wenn du glaubst und in Christus bist, so bist du erwählt«) / für die Rechtfertigung >sola fide< und die daraus folgende Heiligung (Eph. 2,10 / Röm. 11,6) / für den gegliederten Dienst von Aufsehern (Bischöfen), Ältesten (Presbytern), Hirten (Pfarrern) und Lehrern (Doktoren) / für die Kirchenzucht (»zur Erbauung, anständig, ehrbar, ohne Herrschsucht und Zwietracht«) / für kirchliche Ehegerichte.

»Wasser, Brot und Wein sind nicht gewöhnliche, sondern heilige Zeichen … aber Gottlose und Ungläubige … genießen … die bezeichneten Dinge nicht, weil sie sie nicht im Glauben annehmen. … Es gibt aber ein geistliches Essen des Leibes Christi … so, daß Leib und Blut des Herrn … uns geistlich mitgeteilt werden, … auf geistliche Weise durch den Heiligen Geist, der uns … die Vergebung der Sünden, die Erlösung und das ewige Leben verschafft und zu eigen macht, so daß Christus in uns lebt und wir in ihm leben …. Dieses geistliche Essen und Trinken aber vollzieht sich auch außerhalb des Abendmahls, so oft und wo immer ein Mensch an Christus glaubt.« Kennzeichen seiner Theologie liegen im Begriff des Gnadenbundes Gottes (>Testamentum< bzw. >foedus<), so dass Bullinger als >Vater der Foederaltheologie< bezeichnet werden kann. Johannes Calvin hat diesen Bundesgedanken in seine >lnstitutio< von 1539 aufgenommen, Zacharias Ursinus und Caspar Olevianus haben dies in der Weise getan, dass sie vom Schöpfungsbund am Anfang sprechen und vom neuen Bund in Jesus Christus. Bullinger wandte sich gegen den Abendmahlsbann, also gegen den Ausschluss vom Abendmahl (Jesus hatte Judas Ischarioth eben nicht fortgeschickt) – und vertrat (mit Zwingli und Calvin) die Auffassung: Christus ist in himmlischer, nicht aber in irdischer Weise innerhalb der Mahlfeier gegenwärtig.

»Er verbindet Altes und Neues Testament, Christologie und Pneumatologie, Dogmatik und Ethik, Glaube und Leben, Individual- und Sozialethik, >Kirche< und >Staat< … Gegenüber Rom sicherte er die Unmittelbarkeit der Seele zu Christus, gegenüber Luther verband er Gesetz und Evangelium … Bullinger betont wie Zwingli die geistliche Autorität des Wortes Gottes gegenüber allem Kreatürlichen … «  Heinrich Bullinger sah seine Aufgaben über Predigt und Unterricht hinaus gerade auch in der Seelsorge (wie viele seiner Briefe sind reine Seelsorgebriefe!) und in der Armenfürsorge. Wie selbstverständlich kümmerte er sich um die Aufnahme von Flüchtlingen, insbesondere von Hugenotten, und beherbergte etliche davon in seinem eigenen Haus.

Gescheitert ist der Zürcher Antistes mit seinem Versuch, von den Lutheranern eine Duldung der reformierten Gemeinden in deren Landen zu erreichen – ebenso scheiterte sein Versuch, zu erreichen, dass die römisch-katholische Kirche aufgrund der heiligen Taufe alle anderen (als) Kirchen anerkennt, die auf dem Grund der alt- kirchlichen Bekenntnisse stehen. Bis heute lässt diese offizielle Anerkennung durch Rom auf sich warten, gilt doch weiterhin die in den Jahren 2000 und 2007 bestätigte Abstufung hin zu kirchlichen Gemeinschaften (für die orthodoxen Kirchen) und hin zu Religionsgemeinschaften (für die protestantischen Kirchen). Seine Frau und seine drei Töchter verlor Heinrich Bullinger im Jahre 1565 infolge einer Epidemie. Er selber verstarb am 17. September 1575 – sein Grab findet sich im Kreuzgang des Zürcher Großmünsters.

Institutio Christianae Religionis
Calvins Hauptwerk

Johannes Calvin / Jean Cauvin (*10.07.1509, +27.05.1564): »Soli Deo Gloria«

Ein gängiges Vorurteil lautet(e), Calvin sei ein Feind jeglicher Lebensfreude gewesen, habe Tanz, Theater, Kartenspiel verboten, habe eine rigorose Sittenordnung durchgesetzt – richtig ist, dass diese Verboten bzw. Ordnungen in der damaligen Gesellschaft längst bestanden hatten und dass z.B. der Rat der Stadt Genf verpflichtet war, für die Einhaltung und Überwachung dieser >Spielregeln< zu sorgen … Calvins Ziel bestand jeweils darin, mäßigend zu wirken, Milde walten zu lassen, seelsorgerlich zu handeln, zu trösten, zu ermahnen – sein Ziel bestand darin, die Menschen zurück zu gewinnen für den Glauben und für die Gemeinde und sie eben davor zu bewahren, Opfer ihrer eigenen Leidenschaften zu werden! Sicher, der Begriff >Kirchenzucht< erscheint für heutige Ohren nicht mehr angemessen – aber das Anliegen, das dahinter steckt, ist alles andere als überholt! Denn es muss doch wohl auch heute Aufgabe von Christenmenschen sein, andere zum Glauben und zur Kirche zu >ziehen< (vgl, Joh. 6,44) / es muss doch wohl auch heute Aufgabe sein, einander im christlichen Sinne zu erziehen und zu ermahnen! Oder – sollten wir uns davon längst verabschiedet haben?? / Sollten wir in der Kirche alles und jedes einfach nur so gutheißen? / Zu allem Treiben auch noch >Ja-und-Amen< sagen? / Haben wir denn nicht(s) mehr zu sagen?? Wenn es nun aber so sein sollte: wen überrascht es da dann noch, wenn >Kirche< immer weniger Beachtung findet und sich selbst überflüssig macht??

Die Zeit von Ostern 1538 bis September 1541 verbringt Johannes Calvin neben Martin
Butzer, Wolfgang Capito, Caspar Hedio und Matthias Zell im damals deutschen Straßburg. Dort in dieser freien Reichsstadt wird er geprägt, insbesondere von Martin Butzer und durch Butzer von Luther wie von Zwingli – dort wird Calvin zu Calvin – dort arbeitet er als Prediger in der französischen Flüchtlingsgemeinde an der St. Nikolai-Kirche … Den Tod seiner Frau hat Calvin sehr betrauert, er schrieb: »Genommen ist mir die beste Lebensgefährtin … Ich bin nur ein halber Mensch, denn der Herr hat vor kurzem meine Frau zu sich
heimgeholt; sie schied von dieser Welt, um in wunderbarer Glaubensfestigkeit gen Himmel zu eilen … Nun suche ich mein Leid so zu verwinden, dass ich keine Unterbrechung in meiner Amtstätigkeit erleide.«

Auf mehrfaches dringliches Bitten und nach langem Zögern kehrte Johannes Calvin am 13. September 1541 in die Stadt am Lemansee nach Genf zurück.

  • Dort wirkte er als Prediger, Lehrer und Seelsorger an St. Pierre –
  • dort beherbergte er französische Glaubensflüchtlinge –
  • dort schrieb er 1541 den >Genfer Katechismus< (nach der
    Vorlage des Straßburgers / der dem >Heidelberger Katechismus< (1563)
    als Vorbild diente) –
  • dort führte er in seiner Kirchenordnung von 1541 das
    Konsistorium (den Kirchenrat) ein (als Gegenüber zum
    städtischen Magistrat) wie den differenzierten Dienst des
    Pastoren, Lehrers, Ältesten und Diakons (und hob damit die
    Unterscheidung zwischen Klerus und Laien auf).

Allerdings übte Calvin auf den Rat der Stadt weit weniger Einfluss aus, als gemeinhin angenommen wird. Calvin besaß nie die kirchliche und politische Macht, die ihm angedichtet wurde – wie weit dagegen dirigierte der Rat der Stadt Genf in kirchliche Angelegenheiten hinein, wie oft wurde Calvin vom Rat der Stadt ausgebremst.

Zu behaupten, Calvin hätte in Genf eine Theokratie errichten wollen oder gar errichtet, verkennt seine Kompetenzen vollkommen. Erst vier Jahre vor seinem Tode erhielt er das Bürgerrecht der Stadt, bis dahin galt er als Asylant mit befristeter Aufenthaltsgenehmigung. An Tuberkulose erkrankt, lud Johannes Calvin die Pfarrer der Stadt kurz vor seinem Tode nochmals zu einem Festessen ein, diesmal, um Abschied zu nehmen. Er verstarb nach längerer Krankheit im Alter von 54 Jahren am 27. Mai 1564 in Genf. Seinem Wunsch entsprechend findet sich kein Grabstein (auf dem Friedhof von Plainpalais), der sein Grab hätte zieren können (allein eine kleine Grabplatte trägt seine Initialen: (>J.C.<). Bescheidenheit und Demut kennzeichnen ihn bis in seinen letzten Willen hinein. »Gott allein gebührt alle Ehre«, nicht ihm – davon war Johannes Calvin zutiefst überzeugt. Einen >Calvinismus< etwa oder einen >Calvinisten< (diese Bezeichnungen stammen vom Lutheraner Joachim Westphal) sollte es demnach gar nicht geben können und dürfen. Calvins letztes Gebet (1564) lautet:

»Weil wir eine Hoffnung haben, sind wir schon in den Vorhof unseres ewigen Erbes geschritten. Wir wissen, daß uns eine Stätte im Himmel bereitsteht, weil Christus, unser Haupt, der Erstling unseres Heils, dort aufgenommen ist. Da gib, allmächtiger Gott, daß wir immer mehr eilen auf der Bahn Deiner heiligen Berufung, bis wir endlich ans Ziel gelangen in jener ewigen Herrlichkeit, deren Anfang Du uns schon hier auf Erden empfinden läßt, durch Christus, unseren Herrn.«

Über einhundert Millionen Christen weltweit berufen sich in unserer Zeit auf Johannes Calvin – erheblich weniger (etwa siebzig Millionen) berufen sich auf Martin Luther. Der erhaltene Briefwechsel umfasst etwa 4.300 Briefe, davon stammen 1.369 von Calvin selbst. Viele Briefe sind Seelsorgebriefe, reine Trostbriefe, gerade an Hugenotten, also an Menschen, die im kathol Frankreich als >Kirche unter dem Kreuz< mit Verfolgung und Tod rechnen mussten und denen meisthin nur noch die Flucht übrigblieb (ab 1562 wüteten die Hugenottenkriege). Vor diesem Hintergrund versteht sich Calvins Prädestinationslehre: >Auch in der tiefsten Anfechtung, auch in der höchsten Not hören wir aus dem Evangelium, dass wir erwählt sind und Kinder Gottes heißen dürfen.< / >Auch wenn wir vertrieben werden, werden wir niemals außerhalb des Herrschaftsbereichs Gottes sein.<

Calvin ist es zu verdanken, dass in einem Prozess über viele Jahre hinweg 1562 ein Gesangbuch entstand, das alle 150 Psalmen in französischer Sprache und zudem gereimt enthält: der >Genfer Psalter<, auch >Hugenotten-Psalter< genannt. Auch davon war Calvin überzeugt: von der bleibenden Erwählung Israels. Er schrieb (1539) zu Röm. 11,29 zu den Juden: »Sie mögen sich .. mit noch so viel Halsstarrigkeit darauf versteifen, gegen das Evangelium anzukämpfen, so dürfen wir sie dennoch nicht verachten, wenn wir bedenken, dass Gottes Segen um der Verheißung willen auch jetzt noch unter ihnen bleibt.« An anderer Stelle (1552): »Wir dürfen uns .. nicht vor den Juden lächerlich machen, indem wir etwa Moses Worte dahin verdrehen, als zielten sie allein auf Christus.« In seinen letzten fünfzehn Lebensjahren hat Calvin etwa 2.300 Predigten gehalten. Aus der von Calvin (nach Straßburger Vorbild) gegründeten Genfer Akademie heraus (der späteren Universität) trugen seine Theologiestudenten: >die Söhne Calvins< seine Überzeugungen in die weite Welt hinaus (täglich sollen mehr als tausend Zuhörer um Calvins Lehrkanzel zugegen gewesen sein)! Eine davon lautet: »Es ist gut, dass wir unseren Anker schon im Himmel haben,
denn ansonsten könnten wir niemals sicher durch diese Stürme segeln!«

Kernpunkte von Calvins theologischem Denken sind:

  • die Majestät und Souveränität Gottes, der für uns treu
    sorgende Vater, »der Ewige« –
  • das >regnum Dei< (die Königsherrschaft Gottes) –
  • die >providentia Dei< (die Vorsehung und Fürsorge Gottes:
    »wir haben keine andere Zuflucht als in Gottes Vorsehung«)
  • die Prädestination, die sich aus Röm. 8,30 und Eph. 2,8-10 herleitet,
    die den französischen Glaubensflüchtlingen gewidmet ist,
    die sich im Kontext von Flucht und Vertreibung als
    Heilsgewissheit entwickelt: als Erwählung des Einzelnen und
    als Erwählung der Kirche >in Christus< –
  • die >arcana operatio< (das verborgene Handeln Gottes) –
  • die Ehrfurcht vor GOTT –
  • das >Dei nutu< (die Führung Gottes) –
  • der >Bund< Gottes –
  • die Wertschätzung des Alten Testaments –
  • das dreifache Amt Jesu Christi als Prophet, Priester und
    König / Christus als Mittler des neuen Bundes –
  • GOTT als >Architekt und Baumeister Seiner Kirche< (zu Ps.
    147,2) – und nicht zuletzt
  • das später so bezeichnete >Extra-Calvinisticum<.

Für ein fingiertes Gespräch zwischen Schüler und Pastor schreibt Johannes Calvin zur Frage nach den Elementen bei der Mahlfeier (im >Genfer Katechismus< von 1545):

»Der Schüler: >Deshalb zweifle ich nicht, daß er, wie er mit Worten und Zeichen zeigt, uns an seinem Wesen (substantiae) teilhaben läßt, damit wir mit ihm zu einem Leben zusammenwachsen.<
Der Pastor: >Aber wie ist das möglich, wenn der Leib Christi sich im Himmel befindet, wir aber noch hier auf Erden wandeln?<
Der Schüler: >Dieses wirkt er durch die wundersame und geheime Kraft seines Geistes … <
Der Pastor: >Demnach sind also deiner Meinung nach der Leib nicht im Brot und das Blut nicht im Becher eingeschlossen?<
Der Schüler: >Auf keinen Fall! … Um der Wahrheit der Zeichen innezuwerden, müssen wir unsere Sinne gen Himmel richten, wo Christus ist und woher wir ihn erwarten als Richter und Erlöser. Es wäre irrig und umsonst, ihn in den irdischen Elementen zu suchen..<«

Calvin spricht angesichts der Mahlfeier von einer »geistlichen Sache«, von der »spiritualis res« wie vom »göttlichen, wunderbaren Werk des Heiligen Geistes« (so im Kommentar zu 1. Kor. 11, 24ff., 1556), geht damit also von der Spiritual- und von der Virtualpräsenz Christi in der Mahlfeier aus, ohne das Geheimnis der Gegenwart Christi im Heiligen Geist erklären zu wollen. Christi Leib und Blut sind doch schließlich dank seiner Himmelfahrt in das Reich der Himmel zurückgekehrt! Also: »Der Leib Christi bleibt im Himmel, aber der Geist macht Christus im Abendmahl gegenwärtig.« Calvins Glaubensüberzeugung könnte >Brücken bauen< über so manche Differenzen und Diskrepanzen in der Mahlfrage hinweg und die harten Auseinandersetzungen (etwa zwischen Martin Luther und Huldrych Zwingli im Marburger Religionsgespräch 1529) als >kirchengeschichtlichen Betriebsunfall< zurücklassen! Luther soll später einmal geurteilt haben: »Diesem gelehrten und frommen Mann hätte man die ganze Streitfrage über das Abendmahl anvertrauen können!« »Das Geheimnis des heiligen Abendmahls ist zu erhaben, um mit dem Verstand erfaßt oder mit Worten ausgedrückt zu werden.« (Institutio IV 17,7)

»Gott hat … uns ein Unterpfand geschenkt, mit dem er uns solcher fortwährenden Freundlichkeit hat vergewissern wollen. Zu diesem Zweck hat er daher seinen Kindern durch die Hand seines eingeborenen Sohnes das zweite Sakrament gegeben, nämlich das geistliche Mahl, in welchem Christus bezeugt, daß er das lebendigmachende Brot ist, durch das unsere Seelen zur wahren, seligen Unsterblichkeit gespeist werden (Joh. 6,51) …
Das Geheimnis der verborgenen Einung Christi mit den Frommen aber ist seiner Natur nach unbegreiflich; daher läßt er eine Vergegenwärtigung oder ein Bild solchen Geheimnisses in sichtbaren Zeichen kundwerden, ja er gibt uns gleichsam Pfänder und Merkzeichen … Wir müssen dagegen eine solche Gegenwart Christi im Abendmahl feststellen, die ihn weder an das Element des Brotes bindet noch in das Brot einschließt, noch ihn (auf Erden) auf irgendeine Weise räumlich eingrenzt – denn es liegt auf der Hand, daß all dies seiner himmlischen Herrlichkeit Abbruch tut. Die Gegenwart Christi im Abendmahl dürfen wir uns ferner nicht so vorstellen, daß sie ihm seine Größe wegnimmt oder ihn an vielen Orten zugleich sein läßt oder ihm eine unermeßliche Weite andichtet, die sich über Himmel und
Erde verstreut – denn dies steht im klaren Gegensatz zu der Echtheit seiner menschlichen Natur.« (Institutio IV 17,1.19)

Wie aber nur lassen sich Calvins Gedanken auf einen gemeinsamen Nenner bringen? Die Antwort liegt in drei lateinischen Worten: »Soli Deo gloria!« / »Allein GOTT gebührt alle Ehre!« Das sind wir Menschen GOTT schuldig: dass wir GOTT ehren durch all die Güter und Gaben, die ER uns reichlich schenkt! / Danach sollen wir trachten: dass GOTT allein durch all unser Denken, Tun und Lassen geehrt / gelobt / erfreut / ja, sogar verherrlicht wird! Calvin hielt im Jahr etwa zweihundert Predigten, zweihundert Bibelstunden und Vorlesungen, zudem war er immer wieder mit Anfragen und Problemen der Kirchen- wie der Stadtregierung in Genf und darüber weit hinaus befasst. Etwa achthundert seiner Predigten sind bereits zu seinen Lebzeiten oder kurz danach in Druck gegangen – hinzu kommen Kommentare zu allen neutestamentlichen Büchern (davon ausgenommen sind der 2. und 3. Johannesbrief und die Apk.) sowie zum Pentateuch, zu Josua, zu Jesaja, zu den Psalmen – sein Psalmenbuch, das allein in Genf neunzehn Auflagen erfuhr – auch Traktate wie: »Die Verhandlungen des Konzils von Trient, mit Gegengift« (1547). An verschiedenen Religionsgesprächen nahm er teil, so in Frankfurt (1538, wo er Melanchthon kennen lernte), in Hagenau (1540), in Worms (1540/41), in Regensburg (1541). – In stetigem, freundschaftlichem Briefwechsel stand er mit Philipp Melanchthon in Wittenberg, mit Martin Bucer in Straßburg, mit John Knox (*um 1415, +1572) in Edinburgh, mit Heinrich Bullinger in Zürich. In Verbindung stand er mit Kaiser Karl V. wie auch mit den Königshäusern in England, Dänemark, Schweden und Polen, mit Kurfürst Friedrich III.  von der Pfalz, mit Herzog Christoph von Württemberg. Johannes Calvin arbeitete fast ununterbrochen Tag und Nacht, allerdings schränkten ihn verschiedenste Erkrankungen gerade in seinen letzten sechs Lebensjahren mehr und mehr ein.

Im >Genfer Katechismus< von 1545 (mit seinen 373 Fragen und Antworten)
schreibt Calvin: »Was ist das vornehmste Ziel des menschlichen Lebens? Dass wir Gott, der uns geschaffen hat, selber erkennen. Denn dazu hat er uns geschaffen und in die Welt gestellt, um in uns verherrlicht zu werden, weshalb es recht und billig ist, unser Leben in den Dienst seiner Ehre zu stellen … Wo Gott erkannt wird, da wird auch Menschlichkeit gepflegt … Welches ist nun aber die wahre und rechte Erkenntnis Gottes? Diejenige, bei welcher ihm die angemessene und geschuldete Ehre erwiesen wird …. In welcher Weise wird er dann recht geehrt? Wenn wir all unser Vertrauen auf ihn setzen, wenn wir uns bemühen, ihm mit unserem ganzen Leben zu dienen, indem wir seinem Willen gehorchen, wenn wir ihn in allen Nöten anrufen und unser Heil, und was wir sonst an Gutem nur wünschen können, bei ihm suchen, und endlich, indem wir mit Herz und Mund ihn als alleinigen Urheber alles Guten anerkennen.«

Setzt Martin Luther in seinem theologischen Denken den Akzent auf die Rechtfertigung, so Johannes Calvin (wie Huldrych Zwingli) auf die Heiligung, auf die >sanctificatio<. Calvin konnte fragen: »Wie, hat er denn nicht die Farben so unterschieden, daß die eine anmutiger ist als die andere? / Wie, hat er nicht Gold und Silber, Elfenbein und Marmorstein solche Schönheit geschenkt, dass sie dadurch vor anderen Metallen und Steinen kostbar werden? / Wie, hat er nicht überhaupt viele Dinge über den notwendigen Gebrauch hinaus kostbar für uns gemacht?« Johannes Calvin kann nur staunen: staunen über die vielfältigen Wunderwerke Gottes – Calvin kann nur staunen und genießen und sich von Herzen freuen. Diese Welt – für Calvin ist sie >ein Schauplatz der Herrlichkeit Gottes< / »mundus theatrum gloriae«! Das heißt doch wohl: Ich Mensch darf und soll mich freuen an den guten Gaben Gottes! Ich darf und soll sie mit Freuden genießen! Für Calvin war es übrigens kein Problem, am Sonntagnachmittag mit dem Segelboot über den Genfer See zu segeln: um sich zu erholen und zu entspannen! Ja, warum denn auch nicht? Und auch dies gehört genannt: Calvin trat dafür ein, das Lachen nicht zu verlernen! Er schrieb an einen Freund: »lachen können wir .. erst ganz uneingeschränkt, wenn wir aus diesem Leben geschieden sind.« Allen Vorurteilen zum Trotz – Johannes Calvin ist alles andere als ein >Kostverächter<! Er schrieb: »Elfenbein und Gold und die Reichtümer sind gute Schöpfungen Gottes, und nirgends ist es verboten, zu lachen oder satt zu werden oder neue Besitzungen zu erwerben oder sich an Musikinstrumenten zu ergötzen oder Wein zu trinken!« – Wohlgemerkt: Worte von Johannes Calvin!

Bis heute hält sich allerdings scheinbar hartnäckig das Vorurteil, Calvin sei ein lebensfeindlicher Asket gewesen: doch worin will dieses Vorurteil begründet sein? – Calvin hätte sagen können: >sich freuen, ja, aber bitte maßvoll< / >bleibt in allem bescheiden< / >lebt nicht in Saus und Braus, sondern in allem zur Ehre Gottes!< – »Alles, was ihr tut: mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen Jesu Christi und dankt Gott, dem Vater, durch ihn!« (KoI. 3,17), so lautet die Maxime. In den Worten Calvins heißt das: »die unmäßige Gier, die maßlose Vergeudung, die Eitelkeit und Anmaßung fahren lassen und mit reinem Gewissen Gottes Gaben rein anwenden.« Im Weiteren: »Weil unser Herr uns die Mittel gibt, Gutes zu tun, kann man keine Ausflüchte finden. Wir bleiben immer schuldig, wenn wir die Gelegenheit zur Wohltat nicht ergreifen.« Nicht unterschlagen seien folgende >Einschränkungen<, die auf Johannes Calvinus zurückgehen und die den Luxus bremsen sollen:
Danach sollte ein Gastmahl drei Essensgänge mit jeweils vier Gerichten nicht überschreiten – und: die Damen sollen ihre Haare nicht vergolden!

Worte Calvins aus seiner Vorrede zum Psalmenkommentar aus dem Jahre 1543: »Wir wissen aus Erfahrung, dass das Singen große Kraft und Wirkung hat, die Herzen der Menschen zu bewegen und zu entflammen, so dass sie Gott mit heiligerem und glühenderem Eifer anrufen und loben. Das soll uns wie ein Organ sein, um Gott zu loben und unsere Herzen zu Ihm zu erheben, um uns zu trösten, in dem wir sein Vermögen, seine Güte, Weisheit und Gerechtigkeit bedenken!«

Calvins Herz: Auf dem Siegel »Calvins Herz< finden sich im Wappen rechts und links die Initialen >J< und >C<. Diese beiden Initialen lassen sich deuten auf >Johannes Calvin< wie auf >Jesus Christus<. In der Mitte die Hand Calvins, die sein Herz zu GOTT trägt. »Cor meum tibi offero domine prompte et sincere«, lautete Calvins Leitwort, zu Deutsch: »Mein Herz biete ich DIR dar, o HERR, bereitwillig und aufrichtig.«

Schlussfolgerungen: Was könnte >dies alles< für uns Menschen heute bedeuten?

  • das Lebenszeugnis der Väter und Mütter im Glauben
    achten und wertschätzen, für sich selbst daraus lernen
  • im Sinne von: »ora et labora« / >bete und arbeite< die Welt
    ins Gebet nehmen, in der Fürbitte für andere vor GOTT
    einstehen / Dietrich Bonhoeffers »Beten und Tun des
    Gerechten« beherzigen –
  • aus dem Gebet heraus ans Werk gehen, Stellung nehmen,
    christlichen Glauben bewähren in Wort und Tat:
    entschieden und engagiert, leidenschaftlich und
    temperamentvoll, selbst überzeugt und andere
    überzeugen wollend –
  • die Gottesfrage wachhalten und in den gesellschaftlichen
    Diskurs einbringen, an GOTT erinnern (bedenke: »Sacharja«:
    >der Gotteserinnerer< ) –
  • mit dem Schatz des christlichen Glaubens klar und deutlich
    Position beziehen und >Positionslichter< setzen, gerade
    auch gegenüber Andersdenkenden und Andersglaubenden
  • den biblisch-theologischen Disput (bedenke: die damaligen
    Disputationen) auf sich nehmen und gerade nicht scheuen /
    es wagen, eigenständig zu denken und zu glauben, eigene
    Überzeugungen zu vertreten, dem Zeitgeist kritisch zu
    begegnen (nach Gal. 5,1) –
  • Ideologien kritisieren, abwehren –
  • das biblische Zeugnis ernstnehmen und befolgen, auch
    wenn es unbequem ist und Nachteile nach sich zieht –
  • den >status confessionis< aushalten und eben nicht ins
    Beliebige und ins Unverbindliche hinein abgleiten /
    christlichen Glauben offensiv bekennen (und behaupten),
    eben nicht verleugnen (oder gar widerrufen) –
  • den Verkündigungsdienst mit Freuden ausüben / die »viva
    vox evangelii«, >die Botschaft von der freien Gnade Gottes
    ausrichten an alles Volk< (gemäß der Barmer Theologischen
    Erklärung, These VI): in Zuspruch und Anspruch (vgl. Barmen II),
    in Gericht und Gnade, in Evangelium und Gebot mit der
    Bitte: »Lasst euch versöhnen mit GOTT!« (2. Kor. 5,20) –
  • frank und frei nach Martin Luther: >dem Volk aufs Maul
    schauen, aber nicht: dem Volke nach dem Munde reden< –
  • die Aufgabe annehmen: »reformata ecclesia semper
    reformanda est«, und zwar nach Gottes Wort und Willen –
  • die reformatorischen >soli< beachten, danach leben und
    glauben, hoffen und handeln –
  • sich der Brisanz der Mahlfrage (nach der Art der Gegenwart
    Christi) stellen, also die Mahlfrage und die damit gekoppelte
    Amtsfrage (nach dem Stellenwert des Priesters) nicht als erledigt
    erachten, sondern als weiterhin zur Klärung aufgegeben –
  • im ökumenischen Sinne voneinander lernen (im Sinne von
    1. Thess. 5,21), ohne das eigene Glaubensgut preiszugeben –
  • politische Mitverantwortung für das Gemeinwesen über-
    nehmen, im Sinne des Jeremia-Wortes (29,7): »Suchet der
    Stadt« / des Staates / der Staaten »Bestes und betet für sie
    zum HERRN!« –
  • »Tut um Gottes willen«, um der Mitmenschen und um
    eurer selbst willen »etwas Tapferes« (Huldrych Zwingli),
    wissend: »GOTT hat uns nicht gegeben einen Geist von
    Verzagtheit, nein, sondern Seinen Heiligen Geist der Kraft,
    der Liebe und der Besonnenheit!« (2. Tim. 1,7) –
  • aus der Danksagung (>Eucharistie<) heraus zum Gotteslob
    (zur >Doxologie<) finden und die von GOTT geschenkte Zeit
    nutzen: in Gottesgewissheit und Glaubensheiterkeit, in
    Lebensmut und Lebensfreude, in Zuversicht und Hoffnung
    auf die neue Welt Gottes –
  • Ehrfurcht vor GOTT entwickeln und immerfort: >Bildung,
    Bildung, Bildung!< treiben (bedenke Prv. 1,7) –
  • dem Antijudaismus wehren, judenfeindliche Äußerungen
    Dritter in die Schranken weisen, die Shoa weder ver-
    drängen noch verleugnen, die bleibende Erwählung Israels
    und die Treue Gottes zu Seinem Volk anerkennen, das
    Existenzrecht Israels bejahen, der Delegitimierung wie der
    Dämonisierung Israels entgegentreten, die einseitige
    Parteinahme für die Anliegen der Palästinenser hinter-
    fragen, der Solidarität mit dem Volke Israel verpflichtet
    bleiben –
  • sich die (erstmals seit dem Reichstag zu Speyer 1529
    als Schimpfwort verwandte) Bezeichnung >Protestanten< bewusst
    zu eigen machen, und zwar im positiv gefüllten Sinne des Wortes
    als Herausforderung, um sich als »Protestleute gegen den Tod«
    (Christoph Blumhardt d.J.) zu erweisen und als >Protestleute
    für die Sache Gottes hier auf Erden< –
  • singen, und zwar Bitt-, Dank- und Lob(preis)lieder singen,
    etwa:
    »Anbetung, Ehre, Dank und Ruhm
    sei unserm Gott im Heiligtum /
    der Tag für Tag uns segnet /
    dem Gott, der Lasten auf uns legt,
    doch uns mit unseren Lasten trägt
    und uns mit Huld begegnet!
    Sollt‘ ihm, dem Herrn der Herrlichkeit,
    dem Gott vollkomm‘ner Seligkeit
    nicht Ruhm und Ehr‘ gebühren?
    Er kann, er will, er wird in Not
    vom Tode selbst und durch den Tod
    uns zu dem Leben führen!« (EG 281,3)

Vortrag zum Marburger Religionsgespräch am 31.10.2022
Luther, Zwingli und ihre Auffassungen vom Abendmahl