Die Geladenen

Rembrandt Harmensz. van Rijn: Gleichnis von der königlichen Hochzeit
Rembrandt Harmensz. van Rijn: Gleichnis von der königlichen Hochzeit

Die Geladenen (Von der königlichen Hochzeit Mt 22,1-14)
Als aber der König hinging, um sich die Gäste anzusehen, erblickte er einen Menschen, der kein hochzeitliches Gewand anhatte. Und er spricht zu ihm: ´Freund, wie bist du hereingekommen, da du doch kein Hochzeitsgewand anhast? Der aber verstummte. Da sprach der
König zu den Dienern: ´Bindet diesen an Händen und Füßen und werfet ihn hinaus in die Finsternis draußen; dort ist Heulen und Zähneknirschen …´.

F. Aber was bedeutet denn der zweite Teil des Gleichnisses, die Behandlung des Mannes ohne hochzeitliches Gewand? Ist sie nicht auch seltsam? Der Mann ist ja vom Zaune geholt worden – wie kann man denn von ihm ein hochzeitliches Gewand verlangen? Ist das nicht ungerecht?
A. Wieder muß geantwortet werden: die Seltsamkeit des Gleichnisses entspricht der Seltsamkeit dessen, was es ausdrücken soll und will drastisch darauf hinweisen. Was aber zunächst die Ungerechtigkeit betrifft, so ist sie vielleicht nicht so groß, wie es scheint. Denn, wenn wir recht berichtet sind, so wurde bei einer solchen Einladung auch das entsprechende Gewand angeboten. Der Mann hat es also abgelehnt, weil er meinte, er sei auch so, mit seinem Arbeits-oder Alltagsgewand, gerade recht. Er sei ja doch von der Landstraße
geholt worden… Der Sinn dieses zweiten Teils des Gleichnisses ist offenbar der: Wenn das Reich Gottes von den Pharisäern weg zu den Zöllnern und Sündern geht, wenn es von den Juden weg zu den Heiden geht, wenn es von den „Gläubigen“ weg zu den „Ungläubigen“ geht, wenn, anders gesagt, das Neue des Reiches Gottes an die Stelle von Religion, Christentum, Kirche tritt, dann könnte leicht ein Missverständnis entstehen. Dann möchte man vielleicht meinen, man könne dieses große Neue haben und im übrigen bleiben wie man sei; man könne das Reich Gottes als Gabe haben ohne seine Aufgabe; man könne die Gerechtigkeit des Reiches Gottes haben ohne Gott; man könne die Gnade haben ohne das Gesetz, in der Zügellosigkeit einer falsch verstandenen Freiheit. Wenn dieses Missverständnis aufkommt, dann geht alles wieder verloren. Dann sinkt das Heidentum, das zu Christus gekommen ist, eben wieder in das Heidentum zurück. Dann geht ohne Gott, ihren Quell und Hort, auch die Herrlichkeit des Reiches Gottes wieder zugrunde. Dann verliert sich, ohne das Gesetz, die Freiheit in den Sumpf. Nein, die neuen Geladenen müssen auch das Hochzeitsgewand anziehen, das ihnen ja geschenkt wird.

Gerhard Lohfink, Braucht Gott die Kirche?
DAS HEUTE DER GOTTESHERRSCHAFT
Wenn Gott kommt, kommt er nicht halb, sondern ganz. Und er kommt nicht irgendwann, und sei es auch in allernächster Zukunft, sondern er kommt heute. Man wird der Botschaft Jesu einfach nicht gerecht, wenn man so formuliert, als schenke Gott zwar seine Basileia – aber im Augenblick noch nicht ganz; als lasse er sie anbrechen – aber nur stückweise; als offenbare er sie – aber nur in Vorwegnahme… Dem Neuen Testament wird man nur gerecht, wenn man festhält: Gott hat sich in Jesus ganz ausgesagt. Jesus ist die endgültige Gegenwart Gottes in der Welt. Wer ihn sieht, sieht den Vater (vgl. Joh 14,9).
Das „Noch-nicht“ der Gottesherrschaft hängt nicht am Zögern Gottes, sondern an der sich verzögernden Umkehr des Menschen. Der Mensch will Gott nicht zu nahe haben. Er will lieber auf seiner eigenen Hochzeit tanzen als auf der Hochzeit, zu der Gott einlädt. So muß Jesus in einem Gleichnis erzählen (Lk 14.15-24), wie ein Mann ein Festmahl vorbereitet hat, wie er Sorge getragen hat um ein vorzügliches Essen und alles getan hat, dass seine Gäste glücklich sein könnten. Endlich ist es soweit – und die Gäste kommen nicht, obwohl sie seit langem eingeladen waren. Statt dessen trifft eine Entschuldigung nach der anderen ein: Ich habe einen Acker gekauft. Ich kann leider nicht kommen. Ich habe fünf Gespann Zugvieh gekauft. Ich kann leider nicht kommen. Ich habe gerade geheiratet. Ich kann leider nicht kommen. Die Eingeladenen finden immer neue Entschuldigungen, wenn es darum geht, sich gegen den nahen Gott und die Sammlung des Gottesvolkes abzuschirmen (Jesus: Wer nicht sammelt, der zerstreut). Fast immer laufen sie hinaus auf den Satz: -Ich möchte ja. Aber im Augenblick geht es noch nicht!-. Das jesuanische „Heute“ besagt aber gerade: Du hast keine Zeit mehr. Denn die Welt brennt. Du musst jetzt handeln. Denn du bist der Sache Gottes begegnet. Du musst noch heute deine ganze Existenz einsetzen. Denn die Einladung Gottes ist an dich ergangen … Worauf Jesus mit dem „Heute“ zielt, ist nicht zuerst die Pflicht, der Imperativ, das moralische „Muß“, sondern der Jubel über das angebotene Fest, die Freude über den Schatz und die Perle, die man jetzt schon finden kann (Mission durch Attraktion). Das Gleichnis sagt ja nicht: „Mit dem Reich Gottes verhält es sich wie mit einem Schatz, den einer fand. Er grub ihn wieder ein, ging voll Freude nach Hause und lebte fortan in dem glücklichen Wissen: Es gibt diesen Schatz, und irgendwann in der Zukunft werde ich ihn in der Hand haben“. Das Gleichnis erzählt vielmehr, wie der Mann den Schatz sofort an sich bringt: „In seiner Freude geht er hin, verkauft alles, was er besitzt, und kauft den Acker (Mt 13,44).“ Der verborgene Schatz der Gottesherrschaft wird also jetzt schon ausgegraben. Und die kostbare Perle wird schon jetzt erworben. Das Fest will beginnen, und es hängt alles nur davon ab, ob die Eingeladenen auch kommen.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert