J. S. Bach: Gott ist mein König (BWV 71) (Koopman)
Bach – Cantata “Gott ist mein König“ BWV 71 – 1/2
Bach – Art of the Fugue BWV 1080 – Contrapunctus VIII & XIII
Prof. Rainer Mausfeld über die Demokratie als Herrschaftsinstrument der Eliten
Prof. Rainer Mausfeld: Die Angst der Machteliten vor dem Volk
Prof. Rainer Mausfeld Warum schweigen die Lämmer
Das herrschende System in Deutschland ist durch und durch korrupt!
Allen voran die Justiz, die von der korrupten Politik angewiesen wird!
Leonhard Ragaz, Die Bibel eine Deutung
Die Geschichte Israels Die Propheten
II: Die Richterzeit. Unmittelbar unter Gott
e) Jothams Fabel
Dieser Sinn der Geschichte des Abimelech, und auch, nach vorwärts, weiterer Entwicklungen in der Geschichte Israels, wird seinerseits noch illustriert durch die berühmte sog.
Fabel des Jotham. Jotham, der jüngste Sohn Jerubaals (Gideons) ist von all seinen siebzig Brüdern allein übrig geblieben, da er sich versteckt hatte. Und nun heißt es (Kapitel 9, 7 ff.):
„Als man das [sc. die Krönung Abimelechs in Sichem] Jotham hinterbrachte, ging er hin, stellte sich auf den Gipfel des Berges Gerasim [Garizim bei Sichem] und rief ihnen mit weithin tragender Stimme zu: ‚Höret auf mich, ihr Bürger von Sichem, daß auch Gott auf euch höre! Einst gingen die Bäume hin, einen König über sich zu salben. Und sie sprachen zum Ölbaum: ‚Sei unser König!‘ Aber der Ölbaum antwortete ihnen: ‚Soll ich meine Fettigkeit lassen mit der man Götter und Menschen ehrt, und hingehen, über den Bäumen zu schweben?‘ Da sprachen die Bäume zum Feigenbaum: ‚So komm du und sei unser König!‘ Aber der Feigenbaum antwortete ihnen: ‚Soll ich meine Süßigkeit lassen und meine köstliche Frucht und hingehen, über den Bäumen zu schweben?‘ Da sprachen die Bäume zum Weinstock: ‚So komm du und sei uns König!‘ Aber der Weinstock antwortete ihnen: ‚Soll ich meinen Wein lassen, der Götter und Menschen fröhlich macht, und hingehen, über den Bäumen zu schweben?‘ Da sprachen alle Bäume zum Dornbusch: ‚So komm du und sei unser König!‘ Und der Dornbusch sprach zu den Bäumen: ,Wollt ihr in Wahrheit mich salben, daß ich König über euch sei, so kommt und bergt euch in meinem Schatten! Wo nicht, so wird Feuer ausgehen vom Dornbusch und die Zedern des
Libanon verzehren.‘ „
Diese primitive und doch nach Form und Inhalt so gewaltige Fabel des Jotham hat einen nur wenig verstandenen hochrevolutionären Sinn, wie er für die ganze Bibel, besonders das Alte Testament, charakteristisch ist. Sie ist zunächst die klassische Kennzeichnung aller Diktatur. Diese ist immer etwas Unorganisches, mag sie noch so viel vom Organischen reden. Sie ist etwas Gemachtes, Erzwungenes. Sie beruht auf Anmaßung. Sie hat keine Wurzeln in dem wirklichen Volksboden und der wirklichen Volksgeschichte.
Sie schwebt über den Bäumen. Sie ist ein Werk der Gewalt. Darum aber muß sie sich mit Gewalt behaupten. Sie muß den echten Gebilden des Volkstums das nehmen, was ihnen eignet. Sie muß aussaugen, muß verzehren. Sie ist selbst unfruchtbar, mag sie auch durch allerlei Werke, namentlich durch Kolossalbauten, krampfhaft ihre Fruchtbarkeit zu beweisen versuchen. Sie tut das, gerade weil sie fühlt, daß sie unfruchtbar ist, unfruchtbar sein muß. Denn sie ist ein Dornstrauch, nicht ein Ölbaum, Feigenbaum oder Weinstock,
die ihrer guten Frucht sicher sind. Aber desto lauter ladet der Dornstrauch alle in seinen Schatten ein, der doch kein wirklicher Schatten ist. Denn ein Dornstrauch spendet keinen Schatten. Wenn sie aber der Einladung nicht folgen, dann wehe ihnen! Dann geht Feuer vom Dornstrauch aus – das Feuer des falschen Absoluten (als Nachahmung des Feuers, das vom Horeb, vom echten Absoluten, ausgeht), und verzehrt die Zedern des Libanon, die gewaltigen: die Diktatur vernichtet nicht nur Ölbaum, Feigenbaum und Weinstock – sie vernichtet alles, was groß und stark ist – eigentlich größer und stärker als sie. Sie ist ihrem Wesen nach Nihilismus. Und es ist nur die Konsequenz daraus, daß sie zuletzt sich selbst vernichtet, im eigenen unheiligen Feuer verbrennt, während jener andere Dornstrauch im heiligen Feuer unversehrt bleibt. Ist damit die Fabel des Jotham die klassische Darstellung der Diktatur, eine Darstellung voll urgewaltiger Ironie, so ist sie anderseits eine ebenso klassische Darstellung jener Demokratie, welche der Unmittelbarkeit unter Gott entspricht. Wir haben gesehen, daß zu dieser ein gewisser Anarchismus gehört. Dieser Anarchismus ist wie der Proudhons und Bakunins, aber auch Oppenheimers und Landauers, dieser späten Söhne Israels, föderalistischer Natur; er ruht auf der vollkommenen Autonomie der zwölf Stämme, die nur durch Gott in Freiheit zusammengehalten sind. Diese Autonomie hat einen sozialen Boden: sie ruht wirtschaftlich auf dem gesicherten Erbbesitz der Stämme an Grund und Boden, der seinerseits sich im gesicherten Erbbesitz der Geschlechter und der Familien darstellt. Es ist klar, daß ein solcher Föderalismus keine Diktatur erträgt, überhaupt keine Herrschaft, keine „Vögte“. Dazu ist sie viel zu stolz und ruht viel zu sicher in sich selbst. Jede Macht- und Herrschaftsanmaßung ist ihr ein Hohn. Diktatur gedeiht stets nur auf dem Boden der Entwurzelung großer Volksmassen. Aber in der Unmittelbarkeit unter Gott gibt es solche nicht. Hier herrscht nicht das kapitalistische Eigentum. Dieses ist
ein Erzeugnis des Abfalls. In der Unmittelbarkeit Gottes herrscht die sozialistische,
ja kommunistische Demokratie. Hier dringt die göttliche Naturordnung hervor, die besonders Grund und Boden nicht einigen Wenigen überläßt, sondern ihn zum Eigentum
Gottes und damit zum Eigentum Aller macht. Hier bricht wieder etwas vom Paradiese durch, das keinen Stacheldrahtzaun kennt. Immer wieder bricht aus der Korruption der Zustände und der Herrschaft des Gewalt-Eigentums diese Unmittelbarkeit Gottes in glühender Sehnsucht, begeisternden Träumen und schöpferischen Gedanken, aber auch in gewaltigen revolutionären Volksbewegungen durch. Es ist der Anarchismus der Volksherrschaft, der sich jeder irdischen Macht- und Herrschaftsanmaßung widersetzt.
Aber diese Volksherrschaft ruht auf Gottesherrschaft. Sie ist nicht bloß sozialer Natur. Die Demokratie ruht auf der Theokratie. Weil Gott der Herr ist, und er allein, darum ist jede irdische Herrschaft eine Anmaßung. Das ist die letzte Quelle des Hohnes über die Diktatur, welcher aus dem Gleichnis des Jotham spricht. Er gilt aber nicht nur der Diktatur, sondern auch dem Königtum. Natürlicherweise. Denn das Königtum ist ja fast immer aus der Diktatur entstanden. Es ist selbst, in dem Maße als es sich akzentuiert, Diktatur, weil es Anmaßung ist. Mit andern Worten: der Staat selbst, und umso mehr als er „total“ wird,
ist vor Gott eine Anmaßung. Der König, der da spricht: „L’etat, c’est moi“, setzt sich an die Stelle Gottes und wird damit vor Gott ein Hohn. Gott allein gilt. Und von ihm aus das Volk. Das ist der Geist der echten Unmittelbarkeit unter Gott – unter dem wahren Gotte. So entsteht aus der Theokratie die Demokratie. So wird die Ironie gegen den Diktator auch Ironie gegen den König und den Staat, besonders den totalen. Das ist aber der Geist des ganzen Alten Testamentes, wie, mutatis mutandis – auch des Neuen – trotz Römer 13 ! Man erkennt leicht, daß es besonders auch der Geist des ursprünglichen reformierten Christentums und besonders des Calvinismus ist. Auch hier wird nicht nur der Gewalt-Diktator, sondern auch der legitime König vor Gott klein; er wird, je mehr er sich anmaßt, zum Hohn. Auch hier quillt aus Gottes Recht das Recht des Volkes. Hier legt man einem König, der sich göttliches Recht anmaßt, im Namen Gottes den Kopf vor die Füße. Soli Deo gloria! Alles mit Berufung auf die Bibel, besonders auf das Alte Testament. Das ist der Geist der echten Unmittelbarkeit unter Gott. Es muß hier aber auch auf eine Tatsache aufmerksam gemacht werden, die so selbstverständlich zu sein scheint, daß man gewöhnlich gar nicht daran denkt: Es gibt in Israel keinen eigentlichen Adel. Es gibt keine Klassen als festes Gebilde, und vollends keine Kasten. Es herrscht eine selbstverständliche Demokratie. Israel kennt kein feudales Zeitalter. Das hängt selbstverständlich mit dem Gottesverhältnis zusammen. Der Feudalismus ist im Grunde eine Abschattung der Götterwelt. Er ist, wie die Kaste, im Grunde nur möglich unter der Voraussetzung jener „Göttlichen Weltordnung“, welche das irdische Wesen fatalistisch regelt und auch die feste Gliederung von Ständen und Kasten setzt. In Israel aber steht jeder Volksgenosse gleich unmittelbar und selbständig (oder auch abhängig) unter dem Einen Gott, welcher der Gott der Gerechtigkeit ist, welcher jedem sein Recht zuteilt, und welcher der Lebendige ist, der vor keiner Macht oder Einrichtung des Bestehenden Halt macht. Selbstverständlich gibt es auch in Israel Unterschiede; seine Demokratie ist keine Gleichschaltung und seine Gleichheit nicht Masse. Es gibt einen Unterschied zwischen „Vornehmen“ und „Volk“. Aber diese Unterschiede sind nicht als feste Ordnung von Gott eingesetzt, sondern unter Umständen gegen seinen Willen entstanden. So besonders der Unterschied zwischen Reich und Arm. Es gibt auch Unterschiede der Berufung, die aber eo ipso (eben als solche) nicht Sache des Standes und der Ererbung sind. Der Richter ist ein Berufener, ebenso der Prophet, während das Priestertum freilich erblich sein kann, damit aber aus dem Zentrum des israelitischen Verhältnisses zu Gott herausrückt und, wie bald die Geschichte Elis und dann die Samuels zeigen wird, leicht in Verfall gerät. Mit diesem fundamentalen Sachverhalt wird Israel zum Urbild und Vorbild aller Demokratie. Es bedeutet darin noch unvergleichlich mehr als Griechenland, wo die Demokratie auf der Sklaverei eines großen Teils des Volkes ruht und nie bis zur letzten Wurzel reicht.
Prof. Rainer Mausfeld: Die Angst der Machteliten vor dem Volk
Prof. Rainer Mausfeld: Die Angst der Machteliten vor dem Volk
Wenn eine überschaubare Gruppe von Menschen dauerhaft über die große Masse Macht ausüben will, ist die Stabilität des Systems nur dann zu erreichen, wenn man die wichtigste Ressource kontrolliert. Wissen. Was das Volk nicht weiß, noch nicht einmal erahnt, kann es auch nicht auf die Barrikaden bringen. Nach diesem simplen Prinzip herrschen die sogenannten Eliten nun schon seit Tausenden von Jahren über ihre jeweiligen Untertanen. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein System sich „Demokratie“ nennt oder nicht.
Immer sind es nur sehr wenige, die bestimmen, was offiziell überhaupt gewusst wird. Umso allergischer reagiert jeder Machtapparat auf sogenannte Whistleblower, die man früher abwertend als Verräter bezeichnete. Verräter wie Snowden destabilisieren die Machtpyramide, indem sie dem Volk, den Massen, die Möglichkeit geben zu erkennen, wie man sie beherrscht. Herrschaft kann aber nur effektiv agieren, wenn sie unsichtbar bleibt.
Vor allem auf dem Feld der Sozialforschung hat die Elite gegenüber dem Bürger einen enormen Wissensvorsprung. Die Machthaber kennen das Wesen „Mensch“ heute derart genau, dass sie ihn bis in die kleinsten Teile zerlegen und manipulieren können und das auch tun. Dass wir alle kaum etwas davon mitbekommen, stützt diese Aussage.
Wie kann es sein, dass wir z. B. in der BRD den größten Niedriglohnsektor der Welt haben und sich diese Massen nicht zusammenschließen, um den Verteilerschlüssel des Kapitals zu korrigieren? Wie kann es sein, dass 2016 nur acht Personen so vermögend sind wie 3,7 Milliarden, sprich die ärmste Hälfte des Planeten, und dennoch alles so läuft, als gäbe es diese Information nicht. Das Machtsystem „Neoliberalismus“ hat es geschafft, nahezu unsichtbar zu werden und zu herrschen. Es ist auf allen Feldern aktiv, während es gleichzeitig so fassbar ist, wie eine grüne Schlange im schlammigen Wasser. War da was?
Mit der Informationsrevolution werden die Karten neu gemischt. Der Staat bzw. die, die ihn zusammenstellen, haben das Monopol auf veröffentlichtes Wissen verloren.
Prof. Rainer Mausfeld ist eine Koryphäe, wenn es um das Enttarnen von Eliten-Macht geht. Sein aktueller Vortrag „Die Angst der Machteliten vor dem Volk“ hilft dem einzelnen, die Ohnmacht zu überwinden, die jeden beschleicht, wenn er versucht, im Alleingang das System zu durchschauen. Die Chance auf Veränderung beginnt im Kopf. Wissen ist der Schlüssel. Mehr Wissen bei den Massen.