Die Heuchelei des Almosengebens

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Almosengabe vor dem Tempel
Almosengabe vor dem Tempel

Ein Almosen (von griech.: ἐλεημοσύνη (eleēmosýnē) „Mitleid, Mildtätigkeit“) ist eine materielle Gabe an einen bedürftigen Empfänger ohne Erwartung einer materiellen Gegenleistung dieses Empfängers. Es unterscheidet sich von einer Spende durch den Beweggrund des Mitleids mit dem Empfänger. Je nach Kultur oder Religion kann sich mit einem Almosen die Erwartung eines spirituellen Vorteils, im Christentum besonders die Erwartung der Sündenvergebung, verbinden.
»Barmherziges Almosensystem«

DIE REVOLUTION DER RELIGION
Das Almosen
Mt 6,1-4
1 Habt Acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel.
2 Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.
3 Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut,
4 damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.

A.Es kommt zuerst das Wort vom Almosengeben. Schon das ist bedeutsam. Die Religion stellt, auf falsche Weise, das Verhältnis zu Gott in den Vordergrund, Jesus aber, wie alle Propheten, das Verhältnis zum Menschen.
F.Also Menschlichkeit, Humanität?
A.Ja, aber von Gott aus. Es ist die Gerechtigkeit des Reiches Gottes, wonach wir zunächst trachten sollen. Nicht Opfer, sondern Liebe. Nicht Kultus, sondern Gottesdienst am Bruder. Nicht Sonntag, sondern Alltag. Nicht Kirche, sondern Welt. Das wußte man im Judentum, und der Ausdruck dieses Wissens war das Almosen. Es spielte darin eine fundamentale Rolle. Man sagte sogar für Almosen einfach „Gerechtigkeit“.
F.Gibt es im Christentum etwas Entsprechendes?
A.Gewiß. Wir nennen es etwa Liebestätigkeit.
F.Ist das nicht etwas Köstliches?
A.Gewiß, das ist es. Besonders ihre Geschichte.
F.Aber warum denn der Vorwurf der Schaustellung und Heuchelei, der wohl auch dieser christlichen Liebestätigkeit gilt, nicht bloß dem jüdischen Almosen? Und woher kommt denn diese Schaustellung und Heuchelei?
A.Daß bei den jüdischen Frommen diese Schaustellung, die im Sinne Jesu Heuchelei, Schauspielertum, ist, vorhanden war, zeigen die Worte Jesu, die sicher offenkundigen Tatsachen entsprechen. Es kann aber nicht geleugnet werden, da diese Schaustellung in weitgehendem Maße auch ein Merkmal der christlich-bürgerlichen (so müssen wir uns wohl ausdrücken) Liebestätigkeit ist. Die Ursache dieser Entartung einer edlen und großen Sache ist die, welche wir in der allgemeinen Erörterung aufgedeckt haben. Das Almosen wird weitgehend auch ein Werk des Gesetzes. Man tut es nicht aus dem Drang des Herzens, sondern „bloß“ um Gottes und das heißt in diesem Falle um der Religion willen. Darum muß man es auch zeigen. Es fließt nicht aus dem Gott, der im Verborgenen ist, als freie Notwendigkeit. Dazu kommt noch ein Anderes, Wichtigeres, was das Almosen zu einer schlimmen Hechelei macht: Man muß es zeigen um des bösen Gewissens willen.
F.Wieso um des bösen Gewissens willen?
A.Weil man sich heimlich bewußt ist, daß eigentlich etwas anderes nötig wäre: eine Welt der Gerechtigkeit, eine Gesellschaftsordnung, die dem Willen Gottes entspräche. Aber die will man nicht, und das soll durch die Maske der Religion in Form des Almosens verdeckt werden. Es ist zu bedenken, daß auch hierin der Zaun des Gesetzes seinen Doppelcharakter zeigt. Dadurch wird ein Lebensgebiet geheiligt: die Pflicht gegenüber den Armen, im weitesten Sinne dieses Wortes. Aber es wird dafür die Unendlichkeit und Unbedingtheit der Verantwortung für den Nächsten ausgeschlossen. Man gibt dem Armen ein Stückchen vom eigenen Gut und behält das Übrige als absolutes Eigentum. Es gehört aber eigentlich alles Gott. Das ist die Meinung der Bibel. Und das sollte in der ganzen Gesellschaftsordnung zum Ausdruck kommen. Nur das wäre die wirkliche Hilfe. Das spüren die religiösen Kreise. Daher ein Teil des Eifers ihrer Liebestätigkeit – nur ein Teil! – daher das „Almosen“. „Man tut doch alles, was recht ist – es geschieht doch so viel!“ So kommt es zu der großen Schaustellung, zu der großen objektiven Heuchelei bei so viel subjektivem gutem Willen. So muß die linke Hand wissen, was die rechte tut. Das alles wird anders, wenn die Orientierung an Gott, dem Herrn und Vater, stattfindet. Dann wird der Zaun niedergerissen; dann dringt die Unbedingtheit und Unendlichkeit der Forderung Gottes in bezug auf den Bruder an das Gewissen heran. Dann wird aus bloßer Liebestätigkeit soziale Gerechtigkeit und soziale Umgestaltung. Und dann vergeht alle Selbstgerechtigkeit und bleibt übrig die unendliche Schuld. Das ist hierin die Revolution Christi.

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