Serva ordinem et ordo servabit te

regel

Halte die Regel und die Regel hält dich
Lebenswissen aus Ordensregeln

E I N L E I T U N G
»Halte die Regel und die Regel wird dich halten« lautet ein alter lateinischer Sinnspruch: »Serva ordinem et ordo servabit te.« Er bringt die Erfahrung zum Ausdruck, dass menschliches Leben Struktur und Ordnung braucht. In früheren Zeiten war das persönliche Verhalten weitgehend durch die Gesellschaft vorgegeben. Heute lassen die gesetzliche Ordnung und die gesellschaftlichen Konventionen einen viel größeren Spielraum für die persönliche Lebensgestaltung zu. Dieser Gestaltungsraum bringt es mit sich, dass wir auf die Suche gehen und für uns selbst entscheiden müssen, welche Regeln wir unserem eigenen Leben zugrunde legen wollen. Dabei können wir auf Erfahrungen zurückgreifen, die Menschen vor uns gemacht und in bewährte Lebensregeln gefasst haben.
Eine Quelle der Orientierung sind die Regeln der großen Ordensgemeinschaften. Sie bieten geistliche Lebenshilfe, nicht nur Vorschriften. Darum sind sie eine Fundgrube voll erprobten Lebenswissens. Gleichzeitig fordern sie zum Nachdenken über den eigenen Lebensentwurf heraus. Wer sie liest, kann sich darin »wie in einem Spiegel inspizieren«, wie es der heilige Augustinus am Ende seiner Regel formuliert. Denn vor dem Hintergrund der Ordensregeln werden uns die mehr oder weniger offensichtlichen Regeln unseres Lebens bewusst. Die Texte stellen uns die provozierende Frage, ob unser Leben wirklich so verlaufen soll, wie wir es führen. Sie motivieren uns, an der einen oder anderen Stelle die eingefahrenen Bahnen zu verlassen und einen neuen Weg einzuschlagen. Sie regen an zu testen, ob wir überhaupt die Kraft und den Mut für Veränderungen haben. Ordensregeln beschreiben einen ganz eigenen Lebensweg. Es geht um ein Leben, das in einer besonderen Weise Gott gewidmet und in eine entsprechende Gemeinschaft eingebunden ist. Manches daran ist außerhalb des Klosters kaum nachvollziehbar und uns deswegen fremd. Die Regeln enthalten aber auch Einsichten, die uns bei der Bewältigung unseres Lebens helfen können. Im Kloster kommen die Schwestern und Brüder täglich im Kapitelsaal zusammen, um ein Kapitel aus ihrer Ordensregel zu hören. Sie rufen sich so die Grundregeln ihres Lebens ins Gedächtnis. Dieses Buch ist wie ein solcher Kapitelsaal. Seite für Seite, Tag für Tag hält es Inspirationen und Herausforderungen bereit. Es ist ein geistliches Lesebuch mit einer kleinen Auswahl von Sätzen aus ganz unterschiedlichen Ordensregeln. Zugrunde liegen die Regeln von bekannten Ordensgründern und großen Klostergemeinschaften. Der Bogen spannt sich von der ersten abendländischen Regel des heiligen Augustinus und der ostkirchlichen Regel von Basilius dem Großen über die klassische Benediktsregel und die Regeln der im Mittelalter gegründeten Orden des heiligen Franziskus und der heiligen Klara zu den Konstitutionen der Jesuiten und den modernen Regeln der Kleinen Brüder Jesu und der Gemeinschaft von Taize. Aus diesen Dokumenten haben wir Abschnitte ausgewählt, die etwas Hilfreiches für ein Leben in der modernen Welt aussagen. Eine Deutung dieser Texte für heute wird daneben gestellt..
Übung macht den Meister. Klosterleben ist ständiges Einüben. Gebete und Gebote, Regeln und Rituale sinken durch Wiederholung tief ein. Einmaliges Hören einer Einsicht oder eines Textes reichen selten aus, um unser Verhalten zu ändern. Wir müssen sie auch exerzieren, einüben. Der Begriff Exerzitien ist zur Bezeichnung für geistliche Übungen geworden. Jedes Kapitel dieses Buches endet mit einem »Exerzitium«, einem Vorschlag, wie die Einsichten aus dem Text im Alltag eingeübt werden können. Dabei helfen einige Grundsätze: Setzen Sie sich ausgehend von der Anregung im Exerzitium ein konkretes Ziel, das Sie erreichen möchten und das auch realistisch erreichbar ist. Dann gilt es, einzelne Schritte auf dieses Ziel hin festzulegen und sich einen Zeitrahmen zu geben. Wichtig ist, diesen Prozess auch zu reflektieren. Dabei kann man entweder für sich selbst und möglichst schriftlich Beobachtungen formulieren oder im Gespräch mit einer Person des Vertrauens. Es ist sinnvoll, das Exerzitium bewusst abzuschließen. Die Suche nach Lebenswissen aus dem Kloster kann stets im Gebet vor Gott gebracht werden, im Vertrauen auf Gottes Begleitung. Allen, die sich diesem Lebenswissen nähern und es hier und da im Alltag lebendig werden lassen wollen, möchten wir einen Gedanken aus den Schlussworten der Augustinusregel mit auf den Weg geben: »Gebe euch der Herr, dass ihr diese Regeln mit Liebe beachtet, verliebt in ihre spirituelle Schönheit. Dann werdet ihr durch eure gute Lebensweise den Glanz Christi ausstrahlen und leben, nicht wie Sklaven der Regeln, sondern in der Freiheit, die euch geschenkt ist«.
MICHAEL SCHINDLER UND OLIVER SCHÜTZ

A N E R K E N N U N G
Daher bitte ich in der Liebe, die Gott ist, alle meine Brüder, die predigen, beten und arbeiten, dass sie danach trachten, in allem demütig zu sein. Sie sollen sich nicht rühmen, nicht selbstgefällig sein und auch nicht überheblich werden wegen guter Worte und Werke, überhaupt wegen gar nichts Gutem, das Gott bisweilen in ihnen und durch sie tut oder spricht oder wirkt. Und alles Gute wollen wir dem Herrn, dem erhabensten und höchsten Gott, zurückerstatten und alles Gute als sein Eigentum anerkennen und ihm für alles Dank sagen, von dem alles Gute herkommt.
AUS DER FRANZISKUSREGEL
Schon die alten Orden wie zum Beispiel die Benediktiner haben auf die Demut großen Wert gelegt. Dennoch sind sie reich und mächtig geworden. Darauf reagierten die Armutsbewegungen, aus denen die Orden der Franziskaner und Klarissen hervorgegangen sind. Für Franziskus waren großer Besitz und gesellschaftliches Prestige deshalb von Übel, weil sie den Menschen von Gott, seinem Schöpfer entfernen können. Er war überzeugt, dass alles, was ist – die Schöpfung, aber eben auch das Gute, was der Mensch selbst vollbringt -, aus Gott kommt. Der Mensch ist nicht autark, sondern kann im besten Falle ein Spiegel der Liebe und der Fülle Gottes sein.
Für den Menschen heute ist es entscheidend anerkannt zu sein. Oft werden Menschen getrieben vom Hunger nach Anerkennung. Und gleichzeitig machen sie die Erfahrung, dass dieser Hunger nie ganz gestillt werden kann. Franziskus, der selbst aus einem angesehenen Hause kam, und seine ersten Gefährten versuchten, sich von diesem Hunger zu befreien: Sie suchten nicht die gesellschaftliche Anerkennung, um gesunde und stabile Menschen zu sein. Ihre Sicherheit und ihr Selbstvertrauen schöpften sie aus ihrer Verbindung zu Gott.
EXERZITIUM
Wie gehe ich mit Lob um? Kann ich Lob annehmen? Ich versuche solches Lob nicht zurückzuweisen und reiche es innerlich an Gott weiter. Kann ich andere loben? Ich spreche bewusst jemandem meine Anerkennung aus.

A R B E I T
Müßiggang ist ein Feind der Seele. Deshalb müssen sich die Brüder zu bestimmten Zeiten der Handarbeit und zu bestimmten Zeiten wiederum der heiligen Lesung widmen.
AUS DER BENEDIKTSREGEL
In seinen Klöstern adelte der heilige Benedikt die Arbeit. In der Antike galt Handarbeit als Sklaventätigkeit. Ein freier römischer Bürger, ein Adliger gar, vermied solch niedere Dienste. So kam es, dass Adlige, die in ein Kloster kamen, dort zum ersten Mal mit ihren Händen arbeiteten. Als sinnvolle Beschäftigung galt für Benedikt auch das Studium heiliger Texte. Müßiggang hingegen sah er als Gefahr.
In unserer Gesellschaft hat Arbeit einen hohen Stellenwert, vor allem, wenn sie gut bezahlt wird und gesellschaftliches Renommee verspricht. Haushalt, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, bürgerschaftliches Engagement gelten zu Unrecht als zweitrangige Formen der Arbeit. Im Kloster gilt jede Art der Arbeit als wertvoll. Darum erhält auch jeder Mönch dasselbe, unabhängig davon, wie viel er finanziell für das Kloster erwirtschaftet.
Während manche Menschen heutzutage keine Erwerbsarbeit mehr finden, ist für andere die Arbeit auslaugend. Für Benedikt hingegen ist Arbeit ein zentraler Bestandteil des Lebens und dient der Verwirklichung des Menschseins.
EXERZITIUM
Mache ich bisweilen die Erfahrung, dass die notwendige Entspannung in eine unbefriedigende Zeitverschwendung umschlägt? In einer solchen Situation beendige ich den Müßiggang und nehme lieber eine einfache Arbeit auf, die mich erfüllt.

A U F G A B E N
Unsere Werke haben nur das eine Ziel und die eine Regel, die Gebote so zu erfüllen, dass es Gott gefällt, Denn das Werk wird nur dann recht ausgeführt, wenn es dem Willen des Auftraggebers entspricht. Bemühen wir uns aber, das Werk genau nach dem Willen Gottes zu vollbringen, so verbinden wir uns dadurch mit Gott. Das ist wie bei einem Schmied, der bei der Arbeit an den denkt, der sie bei ihm in Auftrag gegeben hat.
AUS DER BASILIUSREGEL
Der Gründer der Weltpfadfinderbewegung, Robert Baden-Powell, hat auf seinen Grabstein einen runden Kreis mit einem Punkt darin eingravieren lassen. Dies gehörte zu den Wegzeichen, die er seinen Pfadfindern beigebracht hatte und bedeutet: »Ich habe meine Aufgabe erfüllt und bin heimgegangen.«
Jeder Mensch hat Aufgaben, vielleicht sogar eine Lebensaufgabe. Bei den einen wird sich diese eher in der bezahlten Arbeit, bei anderen eher in der Familie oder im freiwilligen Engagement verwirklichen. Was würde sich ändern, wenn Menschen ihre Tätigkeit bewusst als Aufgabe Gottes verstehen und erledigen würden? Sie wären womöglich nicht in der Gefahr für das eigene Prestige zu kämpfen. Sie könnten entdecken, dass ihr Tun nichts Beliebiges, sondern jeder kleine Schritt unendlich wertvoll ist. So erzählt eine alte Geschichte aus dem Mittelalter, dass ein Handwerker auf die Frage, was er mache, antwortete, er haue Steine. Ein anderer hingegen sagte: »Ich arbeite an einer Kathedrale.«
Wer sein Tun, auch die ganz alltäglichen Verrichtungen, grundsätzlich in einen solch großen Zusammenhang stellen kann, könnte womöglich über diese »Mystik der Praxis« zu Gott finden. Davon war zumindest der heilige Basilius überzeugt.
EXERZITIUM
Ich versuche bei einer Tätigkeit, die ich ausübe, den größeren Zusammenhang zu sehen. Kann ich sie auch als Aufgabe sehen, hinter der Gott steht? Wie verändert sich meine Tätigkeit durch diese Perspektive?

A U S N A H M E N
Und wenn irgendeinmal Not über sie kommt, soll es allen Brüdern, wo auch immer sie sein mögen, erlaubt sein sich aller Speisen zu bedienen, die Menschen essen können, wie der Herr von David sagt, der »die Schaubrote aß« (vgl. Mt 12,4), »welche niemand essen durfte als nur die Priester« (Mk 2,26). Ebenso dürfen auch alle Brüder mit dem für sie Notwendigen in Zeit offenkundiger Not verfahren, gleichwie ihnen der Herr die Gnade schenkt; denn Not hat kein Gebot.
AUS DER FRANZISKUSREGEL
Jede Religion kennt Gebote und Verbote, die eine Art Geländer sind, um ein gutes Leben zu führen. Zugleich kennt jede Religion die Gefahr, dieses Geländer zu verabsolutieren und nicht mehr zu sehen, dass dieses lediglich eine Stütze und nicht das eigentliche Ziel sein soll. Über die Geltung von Geboten gab und gibt es immer wieder Auseinandersetzungen. Auch vom Juden Jesus sind solche Konflikte bekannt, zum Beispiel als seine Jünger am Sabbat verbotenerweise Ähren abrissen und er zu ihrer Verteidigung deutlich machte, dass nicht der Mensch für den Sabbat, sprich für das Gesetz, sondern das Gesetz für den Menschen da sei (Mk2,27).
Die Regel des Franziskus ist geprägt durch Anleitungen für ein armes, anspruchsloses Leben. Dennoch macht Franziskus von seinem zentralen Gebot der Armut eine wesentliche Ausnahme, nämlich wenn Brüder in Not sind. Hier zitiert er womöglich ein schon zu seiner Zeit aus dem germanischen Recht übernommenes Sprichwort: »Not hat kein Gebot.« Es wird deutlich, dass religiöses Fasten eine gute Übung für jene ist, die dies aus freien Stücken tun können und nicht für solche, die zwangsweise zu wenig zu essen haben.
EXERZITIUM
Ich überlege mir ein Gebot, das mir für mein Leben sehr wichtig ist. Habe ich davon schon einmal Ausnahmen gemacht? Ich notiere die Kriterien, die im wahrsten Sinne des Wortes notwendig sind, dass ich davon eine Ausnahme mache.

A U T O R I T ÄT
Die Äbtissin soll ihre Schwestern belehren und beobachten und sie demütig und liebevoll zurechtweisen. Sie darf aber nichts vorschreiben, was gegen die innere Überzeugung und die Lebensform, die wir versprochen haben, wäre. Die Schwestern jedoch, die ihr unterstellt sind, sind verpflichtet, ihrer Äbtissin in allen Dingen zu gehorchen, die sie Gott versprochen haben und die nicht gegen die innere Überzeugung und die Regeln sind.
Die Äbtissin aber soll mit ihnen eine so innige Freundschaft pflegen, dass sie mit ihr reden und umgehen können wie Herrinnen mit ihrer Dienerin, Es muss nämlich so sein, dass die Äbtissin die Dienerin aller Schwestern ist.
AUS DER KLARAREGEL
Auch in der Gemeinschaft des Klosters geht es nicht ohne Autorität. Die Leitung ist der Äbtissin übertragen. Das Leitungsverständnis der Klararegel stellt aber auf den Kopf, was von Führungskräften oft praktiziert wird. Es geht beim Leiten nicht um Machtausübung. Macht ist nicht um ihrer selbst willen da. Sie wird zusammen mit der verantwortungsvollen Aufgabe übertragen, für das Ganze zu sorgen. Dabei bleibt sie an die Regeln gebunden und hat stets das Heil der Einzelnen zu achten.
Für die Rolle der Vorgesetzten gelten die Worte Jesu: »Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein« (Mk 10,43). Das ist eine Herausforderung an alle, die Leitungsverantwortung tragen, Manager und Vorgesetzte genauso wie Eltern. Autorität ist nicht das sture Durchsetzen von Machtansprüchen, sondern beruht auf dem Respekt, den man sich verdient, indem man die eigene Aufgabe als Dienst versteht. Dazu gehört, die anderen einzubeziehen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen.
EXERZITIUM
Ich überlege, wo ich – beruflich oder privat – Verantwortung für Menschen habe.
Ich versuche, diese Aufgabe als Dienst zu verstehen, der die anderen unterstützt, motiviert und fördert.

B E W Ä H R U N G
Sechs Hauptprüfungen der Aufnahme:
während ungefähr eines Monats die geistlichen Übungen machen,
während eines weiteren Monats in Armen- und Krankenhäusern dienen,
einen weiteren Monat ohne Geld pilgern,
nach der Aufnahme ins Ordenshaus sich mit ganzem Fleiß und Bemühen in vielfachen niederen und demütigenden Diensten üben und in allen ein gutes Beispiel geben,
die christliche Lehre oder einen Teil von ihr öffentlich den Kindern und anderen einfachen Leuten erklären, dann schließlich predigen oder beichthören oder in allem arbeiten, je nach Zeit und Ort und Veranlagung aller.
AUS DER IGNATIUSREGEL
Die biblische Tradition betrachtet Wahrheit nicht als etwas rein Philosophisches im Sinne einer Theorie über die Welt. Wahrheit muss sich in Praxis bewähren. Ignatius stellt sich in seiner Regel für die »Gesellschaft Jesu« in diese Tradition. Die sechs Schritte führen ins Ordensleben ein. Es geht vor allem darum, eigene Erfahrungen zu machen und zu prüfen,
ob sich der eigene Glaube in der Praxis bewährt. Es ist bemerkenswert, dass die oft als intellektuelle Elite angesehenen und dafür auch kritisierten Jesuiten so sehr Wert auf bodenständige Erfahrungen legen. Scharfsinnige Theologie muss sich in der Stille geistlicher Übungen, an den Betten der Ärmsten, im Staub der Straße, in den niederen Diensten des Haushalts und im Gespräch mit den Ungebildeten bewähren. Nur dann ist sie wahr. Wer herausfinden will, ob sein Glaube tragfähig ist, kann sich auch heute an den praktischen Übungen des Ignatius erproben.
EXERZITIUM
Ich versuche, mich in einem der von Ignatius genannten Bereiche zu bewähren. Ich nehme mir jeden Tag Zeit, einen Abschnitt aus der Bibel zu lesen; oder ich kümmere mich um jemanden, der sich darüber freut, auch wenn es mir schwer fällt; oder ich verbringe einen Tag in einer Stadt ohne Geld dabeizuhaben; oder ich führe mit jemanden ein Gespräch über den Glauben.

D I E N S T L E I S T U N G
Sobald jemand anklopft oder ein Armer ruft, antwortet der Pförtner; »Gott sei Dank« oder »Segne mich«.
AUS DER BENEDIKTSREGEL
Es ist etwas Alltägliches, Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Wer zahlt, hat auch ein Recht, höflich behandelt zu werden, sei dies an der Rezeption des Hotels oder beim Einwohnermeldeamt. Bittsteller gibt es immer weniger. Selbst beim Sozialamt oder bei der Arbeitsagentur werden die Menschen als »Kunden« gesehen. Die Benediktsregel unterscheidet sich von den Leitbildern der Dienstleister und seien sie noch so kundenorientiert. Ein Fremder kommt an die Klosterpforte mit einem Anliegen, vielleicht mit der Bitte um materielle oder seelische Hilfe oder schlicht mit dem Ansinnen, die Nacht im Schutz der Klostermauern verbringen zu dürfen. Doch bevor der Pförtner auf dieses Anliegen eingeht, soll er Gott für den Besucher danken, ja den Fremden sogar um seinen Segen bitten. Es klingt wie eine verkehrte Welt. Nicht der fromme Mönch segnet den Suchenden, sondern er erbittet umgekehrt den Segen des Fremden. Nicht der Dienstleister vollbringt den eigentlich wertvollen Dienst, sondern der Bittsteller. Das ist ein reizvoller Gedanke, dass der Kunde nicht nur König ist und mehr zu bieten hat als nur Geld.
EXERZITIUM
In Situationen, in denen ein anderer Mensch etwas von mir will, versuche ich, die Haltung des Pförtners einzunehmen und für diesen Kontakt dankbar zu sein. Ich lasse mich überraschen, wie der andere mich beschenken kann.

D I S K R E T I O N
Die Schwestern sollen streng verpflichtet sein, nichts von dem, was im Kloster gesprochen oder getan wird, nach außen zu tragen, was irgendein Ärgernis erregen könnte.
AUS DER KLARAREGEL
Auf den ersten Blick mag man vermuten, der schöne Schein solle gewahrt und die Klosterfassade makellos gehalten werden. Nur keinen Skandal in die Öffentlichkeit tragen! Aber der heiligen Klara geht es nicht um Heuchelei, sondern darum, einen geschützten Raum zu schaffen. Einen Raum, der die freie Aussprache untereinander ermöglicht und es erlaubt, den anderen Persönliches anzuvertrauen. Wer sein Inneres öffnet, macht sich verletzlich. Was ich von anderen erfahre, verdient deswegen die notwendige Diskretion. Es ist manchmal nicht einfach, ein Geheimnis für sich zu behalten. Aber Stillschweigen zu wahren, drückt Respekt vor dem anderen aus und schafft eine Basis des Vertrauens.
Es ist eine große Hilfe, sich auf jemanden verlassen zu können, der meinen Fragen, Problemen und Sorgen ein offenes Ohr schenkt und sie im Herzen bewahrt. Eine schnelle Antwort ist dabei nicht unbedingt notwendig. Schon das Zuhören, das Mitwissen und Mittragen tun gut. Auf diese Weise kann jeder dem anderen zum Seelsorger werden.
EXERZITIUM
Bei Dingen, die ich erfahre, prüfe ich, was davon der Vertraulichkeit unterliegt. Ich speichere diese Informationen mit dem Zusatz »behalte es für dich«. Wenn ich von anderen Diskretion erwarte, sage ich das deutlich.

F R E I H E I T
Du fürchtest, eine gemeinsame Regel könnte deine Persönlichkeit ersticken, wo sie dich doch von unnützen Fesseln freimachen soll, damit du die Verantwortung, die der Dienst mit sich bringt, besser tragen, und der Kühnheit, die in ihm liegt, besser gerecht werden kannst. Wie jeder Christ musst du die Spannung auf dich nehmen zwischen der totalen vom Heiligen Geist geschenkten Freiheit und den Unmöglichkeiten, vor die dich die menschliche Natur stellt, sowohl die Natur deines Nächsten und deine eigene.
AUS DER REGELVON TAIZE
Kinder in einem gewissen Alter achten sehr auf die Einhaltung von Regeln, weil ihnen unbewusst klar ist, dass diese ihnen Struktur geben und gemeinsames Spielen erst ermöglichen. Noch bis vor wenigen Jahrzehnten galten gesellschaftliche Regeln fast uneingeschränkt. Heute sind Erwachsene es hingegen gewohnt, über ihr Leben selbst zu bestimmen, unabhängig von überkommenen Traditionen.
Die in der Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte Rege1vonTaize denkt über die Zumutung von Regeln für einen modernen Menschen nach. Sie geht davon aus, dass wirkliche Freiheit Regeln braucht. Ein Alltag ohne feste Strukturen ist auf Dauer anstrengend. Gruppen, in denen alles immer wieder neu diskutiert werden muss, sind ermüdend. In Familien müssen manche Abläufe eingeübt sein, damit das Zusammenleben gelingt. Eine Regel, zu der sich jemand in aller Freiheit verpflichtet, kann frei machen, weil sie Unklarheiten beseitigt und alle davon entlastet, dass jeweilige Befindlichkeiten zur Grundlage von Entscheidungen gemacht werden. Ein altes Sprichwort bringt es auf den Punkt: »Je weiter und kühner die Seefahrt ist, desto mehr muss man sich an den Nordstern halten.«
EXERZITIUM
Gibt es eine ungeregelte Situation, die mich viel Energie kostet? Ich versuche eine entlastende Regel dafür zu finden und anzuwenden.

F R E I Z E I T
Jene, die als Ordensleute in Einsiedeleien verweilen wollen, sollen zu drei oder höchstens
zu vier Brüdern sein. Zwei von ihnen sollen die Mütter sein und sollen zwei Söhne oder wenigstens einen haben. Jene beiden, die Mütter sind, sollen wie Martha die anderen versorgen, und die beiden Söhne sollen sich wie Maria dem geistlichen Leben widmen.
Die Söhne aber sollen bisweilen das Amt der Mütter übernehmen.
AUS DER FRANZISKUSREGEL
Speziell den Deutschen sagt man nach, dass für sie die Arbeit das Höchste sei. So haben sich nicht zufällig in den deutschsprachigen Ländern viele aktive Orden gegründet, die sich sozial engagieren. Doch auch diese sogenannten aktiven Orden kennen eine kontemplative Seite. In den letzten Jahren ist es für viele Menschen attraktiv geworden, eine Auszeit zunehmen, sich ein Wellnesswochenende zu leisten, zu pilgern oder sich für einige Zeit in ein Kloster zurückzuziehen. Franziskus und seinen Brüdern waren die Zeiten des Rückzugs in die Einsamkeit wichtig. So schrieb er auch eine kurze Regel für die Einsiedeleien. Hier wird deutlich, dass jeder das Recht hat, sich für eine gewisse Zeit bedienen zu lassen, um ganz frei zu sein für das Gebet und das Meditieren des Wortes Gottes. Es geht dabei nicht nur darum abzuschalten und aufzutanken, um wieder für den Alltag fit zu werden. Diese freie Zeit hat vielmehr ihren eigenen Wert. Gerade der moderne Mensch braucht Zeiten, die keinem Zweck dienen.
EXERZITIUM
Ich entscheide mich für eine bewusste Auszeit, sei dies ein halber Tag oder auch eine ganze Woche und nehme dankbar jene Menschen wahr, die mir dies ermöglichen. Ich kann auch jemanden in meinem Umfeld mit einer solchen freien Zeit beschenken.

G E B E T
Seid eifrig im Gebet zu den festgelegten Stunden und Zeiten. Wenn ihr in Psalmen und Liedern zu Gott betet, dann soll das, was ihr in Worten aussprecht auch euer Herz bewegen.
AUS DER AUGUSTINUSREGEL
Gebet, das zur geistlosen Routine wird, ist wohl eher eine Gefahr für das Klosterleben mit seinen vielen Gebetszeiten. Menschen außerhalb des Klosters dagegen müssen Gebetszeiten ganz bewusst in ihren Tagesablauf einplanen. Aber Gebete sind ihre Zeit wert, denn es tut der Seele gut, Gott anzuvertrauen, was auf dem Herzen liegt. Auch wenn Gott weiß, was wir brauchen, kann es heilsam sein, Sorgen und Hoffnungen, aber auch den Dank in Worte zu fassen. Durch regelmäßiges Beten wird immer mehr die Haltung des christlichen Hauptgebets, des Vaterunsers angenommen: »Dein Wille geschehe«. Im Gebet wird dann das lebendig, was Glaube überhaupt ist: sich voll Vertrauen Gott zu übergeben. Das macht ruhiger, gelassener und freier.
EXERZITIUM
Ich versuche, meinen Alltag durch eine feste Gebetszeit am Tag zu strukturieren: Ein kurzes Morgengebet nimmt den kommenden Tag in den Blick und stellt alles, was geschehen wird, unter Gottes Segen. Ein Gebet vor dem Essen, allein in der Stille oder gemeinsam mit der Familie, bringt unseren Dank für die Gaben zum Ausdruck. Das Abendgebet schaut zurück auf den Tag und legt ihn mit allem, was gelungen und was nicht gelungen ist, in Gottes Hand.

G E R E C H T I G K E I T
Nennt nichts euer Eigen, sondern alles soll euch gemeinsam gehören. Die Leitung des Klosters teile jedem Nahrung und Kleidung zu. Es muss aber nicht jeder das gleiche bekommen, weil ihr nicht alle die gleiche Gesundheit habt. Vielmehr soll jedem das gegeben werden, was er nötig hat. So ist es in der Apostelgeschichte über die ersten Christen zu lesen: Sie hatten alles gemeinsam und jedem wurde das zugeteilt, was er brauchte.
AUS DER AUGUSTINUSREGEL
Die Besitzverhältnisse im Kloster spiegeln ein urchristliches Ideal wieder. Alles gehört allen. Bei der Nutzung des gemeinsamen Besitzes darf es aber durchaus Unterschiede geben, da es auch unterschiedliche Bedürfnisse gibt. Dem Einzelnen ist ein Vorteil einzuräumen, wenn dadurch ein Nachteil ausgeglichen wird. Worauf jeder immer Anspruch hat, ist das zum Leben Notwendige. Wo eine Gemeinschaft nach diesen Grundsätzen lebt, praktiziert sie Gerechtigkeit. Was in der kleinen Gruppe funktionieren kann, ist in der größeren Gesellschaft viel schwerer zu verwirklichen. Auch wenn wir außerhalb des Klosters weiterhin Privatbesitz haben werden, so verpflichtet uns dieser doch zu Solidarität. Wie kann Eigentum so eingesetzt werden, dass jeder Mensch bekommt, was er nötig hat? Eine Möglichkeit ist, über das Einkaufsverhalten Gerechtigkeit zu fördern. Für manche Produkte lässt sich durchaus feststellen, ob die Menschen, die sie hergestellt haben, unter würdigen Verhältnissen leben und arbeiten und einen gerechten Lohn erhalten. Schon das Interesse an den Produktionsbedingungen und natürlich das entsprechende Kaufverhalten bewirken langfristig, dass jeder Mensch das zum Leben Notwendige bekommt.
EXERZITIUM
Im Rahmen meiner Möglichkeiten stelle ich mein Einkaufsverhalten um. Ich wähle fair produzierte und fair gehandelte Produkte, kaufe in Weltläden und bei lokalen Herstellern und wähle familienfreundliche Einkaufszeiten und Geschäfte, die mit ihren Angestellten sozial umgehen.

G E S U N D H E I T
Körperpflege dürft ihr, wenn es die Gesundheit verlangt, niemals ablehnen. Befolgt dabei ohne Widerspruch die Anordnung des Arztes. Selbst wenn ein Bruder es zunächst ablehnt, soll er, notfalls auf Befehl des Oberen, dennoch das tun, was für seine Gesundheit notwendig ist. Wenn aber ein Bruder danach verlangt, obwohl es die Gesundheit nicht erfordert, dann soll seinem Verlangen nicht entsprochen werden. Denn was Vergnügen bereitet, ist nicht immer nützlich, sondern kann auch schaden.
AUS DER AUGUSTINUSREGEL
Folgt man der Regel des Augustinus, dann ist Gesundheit ein hohes Gut. Nicht umsonst haben die Klöster die Heilkunst weit entwickelt. Der von Gott erschaffene Körper verdient respektvollen Umgang und Pflege. »Tu deinem Leib Gutes, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen«, soll die Karmeliterschwester Theresa von Avila gesagt haben. Weil Leib und Seele eine Einheit bilden, muss für beide gesorgt werden. Wie die Seele verdient der Leib unsere Aufmerksamkeit, er braucht ausgewogene Ernährung, Bewegung und die notwendige medizinische Behandlung. Ein übertriebener Kult um den Körper hingegen entspricht nicht dem Geist der Regel, wenn dadurch die Sorge um die Seele vernachlässigt wird.
EXERZITIUM
Dienen meine Ernährung, mein Freizeitverhalten und die medizinische Sorge für meinen Körper meiner Gesundheit? Wenn nicht, versuche ich, mein Verhalten zu ändern.

H A B E N
Wenn jemand auf Gottes Eingebung hin zu uns kommt und dieses Leben annehmen will, soll ihr sorgfältig die Grundhaltung unseres Lebens erklärt werden. Und wenn sie geeignet ist, sage man ihr das Wort des heiligen Evangeliums: »Geh, verkauf alles, was du besitzt, und gib den Erlös eifrig den Armen.« Die Schwestern sollen die heilige Armut stets ohne Abstriche befolgen, das heißt weder selbst oder durch einen Vermittler Besitz oder Eigentum anzunehmen oder zu besitzen. Ausgenommen ist so viel Land, wie zu einem würdigen Leben in der Abgeschiedenheit des Klosters notwendig ist. Dieses Land soll ausschließlich als Garten für den Eigenbedarf genutzt werden.
AUS DER KLARAREGEL
Klara und Franziskus stammten aus vermögenden Familien. Ergriffen von den Worten Jesu gaben sie ihr Erbe auf und lebten aus eigener Entscheidung wie die Ärmsten ihrer Zeit. Nur das zum Leben Nötigste gestatteten sie sich. Diese radikale Armut kann uns heute befremden. Finanzielle Sicherheit und sozialer Status, der sich vor allem am Eigentum festmacht, gelten in unserer Gesellschaft als erstrebenswert. Die bunte Werbewelt weckt das Bedürfnis, mehr haben zu wollen. Aber macht Haben selig? Besitz kann eine Last sein und unfrei machen. Er bindet Kräfte, weil er erwirtschaftet, verwaltet und erhalten werden will. Besitzt uns unser Besitz? Eine innere Lösung vom Materiellen kann eine wirkliche Erleichterung sein. »Selig, die arm sind im Geist« (Mt 5,3), 50 drückt die Bergpredigt Jesu diese Haltung aus. Sie befreit vom Drang, immer mehr haben zu wollen. Denn Konsum ist kein Lebensinhalt, der trägt. Er verstellt unsere wirklichen Sehnsüchte und lenkt vom Wesentlichen ab. Auch wenn wir den radikalen Schritt Klaras in die Armut nicht mitgehen können, ihre innere Haltung der Unabhängigkeit von materiellen Dingen könnten wir dennoch für uns entdecken.
EXERZITIUM
Ob ich es schaffe, für eine gewisse Zeit nichts zu kaufen, was nicht dringend zum einfachen Leben nötig ist? Ich verzichte für eine Woche auf das Einkaufen, abgesehen von Dingen des alltäglichen Bedarfs, um zu prüfen, wie sehr ich vom Materiellen abhängig bin. Dabei gesparte Zeit und gespartes Geld verwende ich für bewusst gewählte, sinnvolle Zwecke.

K R I T I K
Wenn ihr eine Verfehlung bei einem Mitbruder bemerkt, dann ermahnt ihn sogleich, damit das begonnene Unheil nicht noch schlimmer wird und er sein Verhalten so schnell wie möglich bessert. Sieht man aber nach einer solchen Ermahnung oder auch sonst, dass dieser Bruder doch wieder dasselbe tut, dann soll jeder, der das merkt, ihn als verwundet betrachten und der Heilung bedürftig. Aber zunächst sollst du nur ein oder zwei weitere Personen darauf aufmerksam machen, damit dieser Bruder durch die Aussage von Zweien oder Dreien von seinem Fehler überzeugt werden kann und mit angemessener Strenge zur Ordnung gerufen wird. Du darfst nicht meinen, dass du lieblos handelst, wenn du das tust. Im Gegenteil. Du lädst Schuld auf dich, wenn du deine Brüder durch dein Stillschweigen ihrem Untergang entgegengehen lässt, statt sie zu bessern, indem du enthüllst, was du weißt.
AUS DER AUGUSTINUSREGEL
Soll man sich in das Leben anderer einmischen? Darf man es jemandem sagen, wenn man ihn auf dem falschen Weg meint? Der Mönchsvater Augustinus ist fest davon überzeugt. Das Zurechtweisen unter Brüdern ist eine vorgeschriebene Praxis. Es geht nicht um Kritiksucht und Rechthaberei, sondern darum, dem anderen zu helfen. Daher sollte Kritik in Liebe vorgebracht werden und nicht verletzen. Weil die Lebenserfahrung zeigt, dass Menschen auf Kritik oft ablehnend reagieren und deswegen ihre Fehler erst recht nicht ändern, wird ein bestimmtes Verfahren vorgeschlagen, das sich auch auf unser Leben übertragen lässt. Zunächst wird das Gespräch unter vier Augen gesucht. Hilft dies nichts, werden diskret weitere Personen hinzugezogen, die dem anderen helfen können, seinen Fehler einzusehen. Nur wenn auch das nicht weiterführt, wird der Vorgesetzte einbezogen und schließlich das Problem öffentlich gemacht. Fruchten alle Ermahnungen nichts, steht ganz am Ende die Trennung, der Ausschluss aus der Gemeinschaft.
EXERZITIUM
Wo in meinen Beziehungen zu anderen ist eine ehrliche Aussprache notwendig, um die Dinge zu klären? Ich suche Worte, die von Liebe getragen sind und die es dem anderen ermöglichen, meine Kritik anzunehmen. Ich benenne auch, was mich zu dieser Aussprache bewegt und welche Hoffnung ich damit verbinde.
Bin ich selbst fähig, Kritik anzunehmen? Ich erinnere mich an Situationen, in denen ich mit Kritik konfrontiert wurde. Wie habe ich reagiert und warum gerade so?

S C H Ö N H E I T
So also sehnen sich die Menschen von Natur aus nach dem Schönen. Das wirklich Schöne und Liebenswerte aber ist das Gute. Gut aber ist Gott, und nach dem Guten drängt alles Verlangen, also drängt alles Verlangen nach Gott. Daher wird die Liebe zu Gott als ein notwendig Geschuldetes von uns gefordert.
AUS DER BASILIUSREGEL
Basilius war mit der überlieferten griechischen Philosophie aufgewachsen, für die das Schöne und das Gute eng zusammengehören. Er ist überzeugt, dass das Schöne nichts Verführerisches ist, was durch den schönen Schein blenden und den Menschen auf falsche Wege locken würde. Im Gegenteil wird für ihn der Mensch über die Ästhetik zu Gott finden, der das absolut Schöne ist. Kunst, Natur und Religion gehören zusammen, weil sie das Ganze sehen. Die Klöster haben diesen Sinn für die Ästhetik bewahrt. Noch heute bewundern wir ihre Schriften, ihre Bauten und Anlagen.
Das Schöne ist nicht nur etwas für die Freizeit. Auch für funktionale Räume, für Büros, Straßen oder ganze Industriegebiete wird zunehmend entdeckt, wie wichtig die sogenannten weichen Standortfaktoren für das Wohlbefinden der Mitarbeiter sind. Gerade in städtischen Ballungsräumen wird man sich bewusst, welch große Bedeutung Kunst und Natur für die dort lebenden Menschen haben. Aus der Sicht der Basiliusregel ist das Schöne deshalb wertvoll, weil es ein Weg zu Gott ist. Das Sichtbare, sei es von Menschen geschaffen oder durch die Natur geschenkt, öffnet den Menschen und lädt ihn zum Staunen ein. Das sichtbar Schöne weckt im Menschen das Verlangen nach der vollkommenen Schönheit, nach Gott.
EXERZITIUM
Ich nehme mir bewusst Zeit, um etwas Schönes in Ruhe zu betrachten, in einem Museum oder in der Natur. Ich gestalte einen Teil meiner Wohnung oder meines Arbeitsplatzes neu und schön.

S T A B I L I T Ä T
Die Schwester soll das Kloster nicht verlassen, außer aus einem nützlichen, vernünftigen, offensichtlichen und glaubwürdigen Grund.
AUS DER KLARAREGEL
Der Eintritt ins Kloster ist in der Regel eine Entscheidung für einen festen Lebensort. Vor allem die alten Orden legen großen Wert darauf, den Klosterbereich selten zu verlassen. Ein stabiles Leben an nur einem Ort steht in extremem Gegensatz zur heutigen Mobilität. Das moderne Leben macht es möglich, in kürzester Zeit an ganz verschiedene Orte zu reisen. Fernsehen, Telefon und Internet erlauben uns sogar, an mehreren Orten gleichzeitig zu sein. Das kann aber das Leben instabil machen.
Die Klosterregel weiß, dass wir einen festen Ort brauchen, an den wir gehören. Das kann ein Haus sein, eine Stadt, ein anderer Mensch, eine Familie, eine Gemeinschaft oder ein Arbeitsplatz. Die Konzentration darauf gibt Halt. Die ganze Welt kann niemand bereisen. Niemals werden wir alles, was es zu sehen und zu erleben gibt, mitnehmen können. Und wir müssen es auch nicht. Wichtiger als die Möglichkeit, an vielen Orten zu sein, ist die Qualität, mit der wir an einem Ort sind. Die Klararegel kennt auch Ausnahmen für das Verlassen der Klostermauern. Wenn es der Seele nutzt, wenn es mit dem Lebensgrund übereinstimmt, wenn es unumgänglich ist, dann ist es gut, den Lebenshorizont zu weiten.
EXERZITIUM
Ich verbringe einige Stunden in Klausur, in Abgeschiedenheit an einem Ort. Ich nehme mir Zeit, etwas zu tun, was ich schon lange in Ruhe tun wollte. Ich konzentriere mich auf mich selbst und lebe einmal ohne Aktivität nach außen, ohne Kontakte, ohne Medien. Wenn ich tätig werde, dann eher meditativ, indem ich etwas kreativ gestalte oder etwas Besinnliches lese.

 

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